Cybersicherheit: Zweidrittelmehrheit für NIS-2-Umsetzung auch im Bundesrat

Grünes Licht für Umsetzung des elektronischen Eltern-Kind-Passes am 1. Oktober 2026

Mit dem Bundesrat nahm die Umsetzung der „Network and Information Security Directive“ der EU (NIS-2) auch ihre letzte parlamentarische Hürde. Die Richtlinie soll generell die Cyber- und Informationssicherheit von systemrelevanten Unternehmen und Institutionen unionsweit regeln und enthält Bestimmungen, wie sich diese auf potenzielle Cyberattacken vorzubereiten bzw. mit erfolgten Cybercrime-Vorfällen umzugehen haben. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen konnte die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz 2026 (NISG 2026) samt flankierenden Änderungen im Telekommunikations- und im Gesundheitstelematikgesetz nun auch in der Länderkammer gesichert werden.

Grünes Licht gab es auch für den elektronischen Eltern-Kind-Pass, dessen Umsetzung anstatt wie ursprünglich geplant Anfang 2026 nun auf den 1. Oktober 2026 verschoben wurde. Einig zeigten sich alle im Bundesrat vertretenen Fraktionen beim Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rettungswesen. Nach dem Vorbild der bereits bestehenden Abkommen in diesem Bereich – mit der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn – sollen mit allen noch verbleibenden Anrainerstaaten bilaterale Staatsverträge abgeschlossen werden, so das Ersuchen an die Bundesregierung in einem Fünf-Parteien-Antrag.

HITZIGE DEBATTE ZUR NIS-2-UMSETZUNG

Das NISG 2026 stellt den zweiten Anlauf für die Umsetzung der NIS-2-Richtlinie dar. Dessen Vorgängerversion, das NISG 2024, scheiterte noch im Vorjahr an der Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Das NISG 2026 orientiert sich weitestgehend an der Version von 2024, sieht jedoch Adaptierungen etwa bei den Berichtspflichten, den Übergangsfristen und der institutionellen Ausgestaltung der Cybersicherheitsbehörde vor. Diese Adaptierungen hob Staatssekretär Jörg Leichtfried auch im Bundesratsplenum hervor. Er betonte zudem die „komplexe und anspruchsvolle“ Bedrohungslage im digitalen Bereich, die die vorgesehenen Maßnahmen notwendig machten.

„Zeitdruck ersetzt keine Qualität“, verwies Werner Gradwohl (FPÖ/St) auf die im Oktober 2024 versäumte Frist für die Umsetzung der Richtlinie und das anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Mit rund 4.000 direkt betroffenen Betrieben und Einrichtungen und noch weiteren über die Lieferketten indirekt betroffenen Unternehmen stelle das NISG 2026 einen „massiven Eingriff in die Wirtschafts- und Verwaltungsstruktur Österreichs“ dar. Trotzdem gebe es keine nachvollziehbare Gesamtkostenabschätzung, kritisierte Gradwohl. Zudem bedeuteten die vorgesehenen Sanktionen von bis zu 10 Mio. Ꞓ bzw. 2 % des weltweiten Jahresumsatzes eine „existenzielle Bedrohung“ für die betroffenen Unternehmen. Unter dieser Strafandrohung müssten sie eine „Flut an technischen, organisatorischen und operativen Maßnahmen“ umsetzen, sagte Sandra Jäckel (FPÖ/V). Sie fragte, wie diese Vorgaben sowie die Einrichtung einer neuen Behörde zu den angekündigten Deregulierungsbemühungen der Bundesregierung passten. Im geplanten Bundesamt für Cybersicherheit sollen laut Jäckel 172 Planstellen bis zum Jahr 2029 geschaffen werden, während etwa bei den Bereitschaftseinheiten der Polizei gespart werde. SPÖ und NEOS, die 2024 noch gegen die Umsetzung der Richtlinie gestimmt hätten, würden diese jetzt nur deshalb befürworten, weil es „ein paar Regierungssessel“ für sie gegeben habe, so Jäckel.

Cybersicherheit sei keine Frage der „Parteifarbe“, sondern eine „Überlebensfrage für die kritische Infrastruktur“, wandte sich Christoph Stillebacher (ÖVP/T) gegen die Freiheitlichen. Das NISG stelle „kein Zwangskorsett, sondern eine Schutzweste für den Wirtschaftsstandort Österreich“ dar. Man setze europäisches Recht „mit Augenmaß“ um und handle nach dem Grundsatz „Beraten statt Strafen“, so Stillebacher. Die Kosten seien aufgrund der „äußerst volatilen Lage“ schwer abzuschätzen, erklärte Harald Himmer (ÖVP/W). Das Gesetz soll vor allem auch dazu dienen, kleinen und mittleren Unternehmen mehr Möglichkeiten zu geben, sich gegen Cyberangriffe zu wehren.

Cybercrime sei nämlich „allgegenwärtig“, betonte Dominik Reisinger (SPÖ/O). Es sei daher notwendig gewesen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen „nachzuschärfen“. Der FPÖ gab Reisinger zu bedenken, welche Kosten ein möglicher Ausfall kritischer Infrastruktur verursachen würde. Seine Partei habe der Umsetzung der Richtlinie diesmal zugestimmt, da im Vergleich zur Version von 2024 etwa bei der parlamentarischen Kontrolle, den Berichtspflichten oder dem Datenschutz nachgebessert worden sei.

Zudem seien zentrale Kritikpunkte – insbesondere aus der Wirtschaft – in das NISG 2026 eingearbeitet worden, um unnötige Belastungen zu vermeiden, ergänzte Julia Deutsch (NEOS/W). Auch die geplante Cybersicherheitsbehörde sei nun selbstständiger angelegt und Weisungen des Innenministers an diese müssten schriftlich dokumentiert und veröffentlicht werden.

Auch Elisabeth Kittl von den Wiener Grünen hielt das NISG 2026 für „begrüßenswert“, da es in einer digital vernetzten Welt auch Schutz auf digitaler Ebene brauche. Die sei auch für den Wirtschaftsstandort zuträglich. Als „heikel“ sah Kittl, dass das Innenressort nun für die Schließung von Cybersicherheitslücken verantwortlich sei und gleichzeitig ein Interesse daran habe, diese für die Anwendung der Gefährder-Überwachung offen zu halten. Sie hätte sich zusätzliche unabhängige Beiräte bzw. Kommissionen zur Kontrolle gewünscht.

ELEKTRONISCHER ELTERN-KIND-PASS: DEBATTE ZWISCHEN PRAKTIKABILITÄT UND SYMBOLPOLITIK

Der bis Ende 2023 als Mutter-Kind-Pass bezeichnete Eltern-Kind-Pass (EKP) soll grundsätzlich die Früherkennung von gesundheitlichen und psychosozialen Risikofaktoren von Müttern und deren Kindern ermöglichen. Die nun von der Regierung vorgelegte Novelle sieht vor, dass ab dem 1. Oktober 2026 alle neu festgestellten Schwangerschaften ausschließlich in elektronischer Form dokumentiert werden. Außerdem sollen erstmals ab 1. März 2027 die Daten zu den Kindern, die ab diesem Tag geboren werden, elektronisch gespeichert werden. Das seit 2014 unveränderte Untersuchungsprogramm, das laut Regierungsvorlage jährlich rund 425.000 Kinder sowie 82.000 Schwangere und Neugeborene erfasst, soll weiterentwickelt und unter anderem durch eine zusätzliche Hebammenberatung vor der Geburt ergänzt werden, durch einen zusätzlichen Ultraschall gegen Ende der Schwangerschaft, weitere Laborleistungen sowie durch ein Gesundheitsgespräch. Bei Letzterem soll der Schwerpunkt auf der Erhebung von psychosozialen und sozioökonomischen Belastungen liegen. Der genaue Umfang, die Art und der Zeitpunkt der Untersuchungen und Gespräche sollen aber erst mittels Verordnung festgelegt werden.

Die Einführung des Mutter-Kind-Passes 1974 sei ein „Meilenstein“ der Gesundheitsversorgung gewesen, der die Mütter- und Säuglingssterblichkeit nur 10 Jahre später bereits um 60 % reduziert habe, erklärte Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig im Plenum. Nun sei es an der Zeit, diesen weiterzuentwickeln. Auf die persönlichen Gesundheitsdaten am elektronischen Eltern-Kind-Pass soll ohne Zustimmung niemand Zugriff haben, betonte Königsberger-Ludwig. Auch die anonyme Geburt werde weiterhin möglich sein. Für die Umsetzung würden 15,6 Mio. Ꞓ investiert und für das Untersuchungsprogramm jährlich 100 Mio. Ꞓ.

Der analoge Eltern-Kind-Pass sei nicht nur ein Stück Papier sondern „emotionsbehaftet“, erklärte Günter Pröller (FPÖ/O) und solle daher als Wahlmöglichkeit weiter erhalten bleiben. Auf diese Wahlfreiheit habe 2024 auch die SPÖ noch bestanden, wie Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S) ergänzte. Sowohl Steiner-Wieser als auch Pröller stießen sich an den „linksideologischen“ Implikationen der Bezeichnung „Eltern-Kind-Pass“ anstatt dem ursprünglichen Begriff „Mutter-Kind-Pass“.

Es gehe darum, den „Lebensrealitäten“ der Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen, betonte Barbara Prügl. Sie war davon überzeugt, dass heutige Eltern mit der Digitalisierung umgehen könnten und hob ebenso wie Margit Göll (ÖVP/N) die Vorteile hervor, die der elektronische Pass aus ihrer Sichte bringe.

Zudem werde mit dem elektronische EKP niemand „gezwungen digital zu werden“, erklärte Verena Schweiger (SPÖ/W). Man brauche weder PC noch Smartphone dafür. Die Umbenennung auf „Eltern-Kind-Pass“ solle die Verantwortung beider Elternteile unterstreichen, hielt Schweiger der FPÖ entgegen.

Auch Simone Jagl (Grüne/N) verwies auf die „massiven Vorteile“ des elektronischen EKP, die aus ihrer Sicht „Leben retten“ könnten. Sie verstehe die „Sentimentalität“ gegenüber dem analogen Pass, doch die Gesundheit von Schwangeren und Kindern sollte wichtiger sein.

AUSBAU DER GRENZÜBERSCHREITENDEN ZUSAMMENARBEIT IM RETTUNGSWESEN

Die bilaterale Zusammenarbeit im Rettungswesen sei von zentraler Bedeutung für die Sicherheit der Bevölkerung in den Grenzregionen, betonten alle Bundesratsfraktionen in einem gemeinsamen Entschließungsantrag. Da oft Minuten über Leben und Tod entscheiden würden, sei es notwendig, dass das jeweils am schnellsten verfügbare Rettungsmittel zum Einsatz komme. Bereits bestehende Staatsverträge mit der Tschechischen Republik (2016), der Slowakei (2025) und Ungarn (2025) hätten gezeigt, dass durch klare rechtliche Regelungen, abgestimmte Leitstellenprozesse und bilaterale Kooperationsvereinbarungen ein praktikables und rechtssicheres System geschaffen werden könne. Diese Verträge würden den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung ermöglichen und den Einsatzkräften umfassenden Rechtsschutz gewähren, heißt es im Antrag.

Peter Samt (FPÖ/St) zeigte sich erfreut über die eistimmige Entschließung der Länderkammer, die deshalb so wichtig sei, weil die Rettungsdienste auch in den Bundesländern organisiert seien. Zur Abstimmung von technischen und medizinischen Gegebenheiten brauche es aber nun auch weitere Staatsverträge. Die bisher etablierten Kooperationen würden in Europa bereits hohe Anerkennung genießen, erklärte Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O). Da es um Menschenleben gehe, müssten diese weiter vorangetrieben werden, verwies er etwa auf Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Deutschland. Wie entscheidend funktionierende Kooperationsstrukturen im Rettungswesen seien, konnten Martin Peterl (SPÖ/N) als freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes aus der Praxis berichten. Menschenleben dürften niemals „an einer Staatsgrenze hängen“, betonte er ebenso wie Julia Deutsch (NEOS/W) und Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O).

Mit der Entschließung sei man dem gemeinsamen Ziel, Menschen rascher helfen zu können, ein Stück näher gekommen, sagte Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig. Eine funktionierende Rettungskette sei nicht nur entscheidend über Leben und Tod sondern auch darüber, in welcher Weise ein Mensch etwa nach einem Unfall weiterleben könne. Ulrike Königsberger-Ludwig sagte zu, „intensiv mit den zuständigen Ressorts“ zusammenzuarbeiten, um zeitnah weitere Staatsverträge abschließen zu können. (Fortsetzung Bundesrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
www.parlament.gv.at/Parlamentskorrespondenz

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.