TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, vom 10. Juni 2022, von Wolfgang Sablatnig:“Bienenstock, Striezel, Heeresmilliarden“

Innsbruck (OTS) – Der russische Überfall auf die Ukraine hat zum einhelligen Bekenntnis aller Parteien geführt, das kaputt gesparte Bundesheer auf Vordermann zu bringen. Die Pläne dafür ist Verteidigungsministerin Klaudia Tanner schuldig.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) lässt keinen (Foto-)Termin aus. Gestern war sie mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Melk. Nach einem Besuch bei der Pionier-Truppe besiegelte sie eine Kooperation mit der Wasserrettung. Im Mai ließ sie sich u. a. vor Bienenstöcken mit Heeres-Logo ablichten. Es folgte das Militärmusik-Festival. Zu Ostern beglückte sie mit einem Foto ihres Striezels.
Klaudia Tanner versteckt sich nicht. Wichtige Antworten fehlen aber. Der neue Generalstabschef? Noch nicht ernannt. Dabei ist die Ausschreibung längst geschlossen, der Vorgänger nach Brüssel übersiedelt – und einen klaren Favoriten gibt es auch.
Das große Investitionspaket, das sie und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem Überfall auf die Ukraine angekündigt haben? Tanner will das Heeresbudget auf 1,5 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleis­tung verdoppeln. Dafür muss sie sich aber erst mit den Grünen einigen.
Gestern machten auch noch die wehrpolitischen Vereinigungen Druck. Das Bundesheer versteht sich als Milizarmee. Verpflichtet wird aber seit Günther Platters Zeiten als Verteidigungsminister niemand mehr. Und nur mit Freiwilligen wird die Miliz- zur Papierarmee, die nur noch scheinbar über ausreichend Soldatinnen und Soldaten verfügt. Offiziersgesellschaft & Co. fordern die Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen. Das lehnt Tanner ab. Alternativen, wo sie den Nachwuchs für die Miliz hernehmen will, nennt sie nicht. Nur den Generalsekretär in ihrem Ministerium hat Tanner rasch nachbesetzt. Den bisherigen hat sie verloren. Sie bedankte sich. Die von ihm verantwortete neue Struktur des Ministeriums wurde aber kritisch beäugt. Und seine Nähe zu einem Investor, der für das Heer in Klagenfurt eine große Kaserne bauen soll, warf Fragen auf.
Und wann kommen jetzt Budget und Inves­titionsplan? Tanner vertröstet. „Noch heuer im Herbst“, lässt sie aktuell ausrichten. Weil es um viele Milliarden geht, sollte sie sich keinen Pfusch leisten.
Womit sich die nächste Frage stellt: Was soll das Heer eigentlich können? Davon hängt ja ab, was die Militärs auf ihre Einkaufsliste setzen. An der Neutralität wollen Tanner und Nehammer bekanntlich nicht rütteln. Gleichzeitig ist klar, dass Österreich von NATO-Staaten umgeben und ein konventioneller Angriff daher nicht sehr wahrscheinlich ist.
Worauf wartet Tanner? Die Lage wäre günstig, für das Heer einiges herauszuholen. Je länger sie zuwartet, desto mehr schwindet diese Stimmung aber.

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