Breite Mehrheit im Sozialausschuss für jährliche Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen

Schülerbeihilfen werden zusätzlich außertourlich angehoben

Schon derzeit wird das Pflegegeld jährlich an die Inflationsrate angepasst, künftig wird das auch für viele weitere Sozial- und Familienleistungen wie die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld und die Studienbeihilfe gelten. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat heute das von der Regierung vorgelegte „Teuerungs-Entlastungspaket III“ mit breiter Mehrheit gebilligt. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch SPÖ und FPÖ für den Gesetzentwurf und eine begleitende Novelle, die unter anderem eine kräftige Anhebung der Schülerbeihilfen vorsieht. Die SPÖ sieht es allerdings kritisch, dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht von der Valorisierung umfasst sind. Grundsätzlich positiv bewerten das Paket auch die NEOS: Sie sind mit einzelnen Punkten aber unzufrieden und wollen darüber im Plenum getrennt abstimmen.

Die Kosten des Pakets bezifferte Sozialminister Johannes Rauch mit rund 4 Mrd. € in den Jahren 2023 bis 2026. Das hängt allerdings auch davon ab, wie sich die Inflationsrate entwickeln wird. Der Sozialminister ortet jedenfalls einen „Meilenstein“, schließlich würde eine regelmäßige Valorisierung von Sozialleistungen schon seit Jahrzehnten gefordert. „Der Sozialstaat wird damit krisenfest gemacht“, so Rauch. Profitieren werden von der Valorisierung ihm zufolge 1,3 Millionen Menschen, zudem verwies er auf die seiner Meinung nach ebenso wichtigen Einmalzahlungen zum Teuerungsausgleich. In Bezug auf die Reform des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe würden Gespräche laufen.

Mitverhandelt mit dem Gesetzespaket wurden drei Entschließungsanträge der Opposition: Sie wurden vertagt bzw. fanden keine Mehrheit.

Konkret werden künftig laut „Teuerungs-Entlastungspaket III“ (1663 d.B.) neben der Familienbeihilfe, dem Kinderbetreuungsgeld und der Studienbeihilfe auch der Mehrkindzuschlag, der Kinderabsetzbetrag, das Schulstartgeld, die Unterstützungsleistung für den „Papamonat“ (Familienzeitbonus), das  Rehabilitationsgeld, das Wiedereingliederungsgeld und das Umschulungsgeld jährlich an die Inflation angepasst. Diese Leistungen werden damit im kommenden Jahr voraussichtlich um 5,8% steigen. Das ist der zu erwartende – grundsätzlich auch für Pensionserhöhungen maßgebliche – Anpassungsfaktor gemäß ASVG, der sich nach der Jahresinflation mit Stand Juli des Vorjahres richtet. Für das Krankengeld wird eine diesbezügliche Option geschaffen, wobei die Entscheidung darüber bei den zuständigen Sozialversicherungen liegt und arbeitslose Personen davon jedenfalls ausgenommen sind.

Ein eigener, von den Koalitionsparteien im Ausschuss eingebrachter Gesetzesantrag stellt darüber hinaus sicher, dass von der neuen Valorisierungsregel auch Schülerbeihilfen umfasst sind. Das betrifft neben der Schulbeihilfe etwa auch die Heim- und die Fahrtkostenbeihilfe sowie diverse im Schülerbeihilfengesetz verankerte Einkommensgrenzen. Gleichzeitig werden die betreffenden Leistungen rückwirkend mit September 2022 außertourlich um 12% erhöht. Der Grundbetrag für die Schulbeihilfe steigt somit schon heuer von derzeit 1.356 € auf 1.520 €, jener für die Heimbeihilfe von 1.656 € auf 1.856 €. Die erste routinemäßige Valorisierung ist dann – analog zur Studienbeihilfe – für September 2023 vorgesehen.

Neu ist darüber hinaus, dass die Unterstützungsleistung für den sogenannten „Papamonat“ künftig nicht mehr auf das Kinderbetreuungsgeld angerechnet wird. Das gilt für Geburten ab 2023. Außerdem wird das mit der Familienbeihilfe ausgezahlte Schulstartgeld von 100 € in Hinkunft bereits im August – statt wie bisher im September – überwiesen. Beim Kinderbetreuungsgeld sind unter anderem der Tagesbetrag von derzeit 33,88 € in der Kontovariante und der Höchstbetrag von 66 € pro Tag in der einkommensabhängigen Variante sowie die individuelle Zuverdienstgrenze von der Valorisierung betroffen. Jene Eltern, die vor der Geburt des Kindes nicht oder nur in geringem Maß gearbeitet haben, dürfen künftig 18.000 € – statt derzeit 16.200 € – jährlich zum Kinderbetreuungsgeld dazuverdienen.

Auch bei der Studienbeihilfe sieht das Gesetzespaket begleitende Änderungen vor. So wird das für ein Selbsterhalter-Stipendium erforderliche Jahreseinkommen auf 11.000 € angehoben und der zuletzt bereits gesenkte „Erhöhungsfaktor“ für bestimmte Beihilfen bis zum Jahr 2026 schrittweise abgeschafft. An die Inflation angepasst wird die Studienbeihilfe – anders als die anderen Sozial- und Familienleistungen – jeweils erst zu Beginn eines Studienjahres. Das hat zum einen verwaltungstechnische Gründen, zum anderen wurden die Beihilfensätze ohnehin erst mit 1. September 2022 deutlich erhöht, wie die Regierung in den Erläuterungen zum Teuerungs-Entlastungspaket III festhält.

Im Bereich der Sozialversicherung sieht der Gesetzentwurf vor, nicht das Rehabilitationsgeld, das Wiedereingliederungsgeld und das Krankengeld selbst an die Inflation anzupassen, sondern die jeweilige Bemessungsgrundlage. Zudem bleibt es beim Krankengeld den zuständigen Sozialversicherungsträgern vorbehalten, ob und in welchem Ausmaß sie per Satzung eine Valorisierung vornehmen. Dezidiert ausgenommen von einer Valorisierung ist das Krankengeld für arbeitslose Personen, da auch das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe nicht an die Inflation angepasst werden. Sehr wohl erhöht werden soll dagegen das Umschulungsgeld: Es wird arbeitslosen Personen gewährt, die sich krankheitsbedingt umschulen lassen.

SPÖ KRITISIERT NICHTBERÜCKSICHTIGUNG VON ARBEITSLOSENGELD UND DER NOTSTANDSHILFE

Der Umstand, dass weder das Arbeitslosengeld noch die Notstandshilfe von der Valorisierung umfasst sind, führte dann auch zu Kritik seitens der SPÖ, wiewohl sie beiden Gesetzesvorlagen zustimmte. Es brauche dringend ein Maßnahmenpaket, um der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien entgegenzuwirken, ist sie überzeugt. Schließlich seien diese besonders von der Teuerung betroffen. Gefordert wird unter anderem eine Anhebung der niedrigen Nettoersatzrate von 55% beim Arbeitslosengeld auf 70% und eine Verdreifachung des Familienzuschlags. Trotz anderslautender Ankündigungen bewege sich beim Arbeitslosengeld nichts, beklagte Sozialsprecher Josef Muchitsch. Ein dazu von der SPÖ eingebrachter Entschließungsantrag (2242/A(E)) wurde von den Koalitionsparteien allerdings neuerlich vertagt. Als bemerkenswert bezeichnete es Muchitsch auch, dass bei der Schülerbeihilfe der Wertverlust der letzten Jahre ausgeglichen wird, bei anderen Sozialleistungen aber nicht.

FPÖ FORDERT „ECHTE ENTLASTUNGSMASSNAHMEN“ GEGEN „KOSTENLAWINE“

Seitens der FPÖ begrüßte Dagmar Belakowitsch das Gesetzespaket. Die jährliche Valorisierung von Familienleistungen sei eine langjährige Forderung ihrer Partei, bekräftigte sie. Ein Wermutstropfen ist für sie allerdings, dass auch Bezieher:innen von Familienbeihilfe profitieren, deren Kinder im Ausland wie etwa Bulgarien oder Rumänien leben.

Insgesamt hält die FPÖ die von den Regierungsparteien geschnürten Entlastungsmaßnahmen jedoch für unzureichend, um der aktuellen „Kostenlawine“ zu begegnen. So werden in einem Entschließungsantrag (2673/A(E)) zahlreiche weitere Schritte gefordert, die von einer Halbierung der Steuer auf Benzin und Diesel und einer signifikanten Anhebung des Pendlerpauschales über eine Abschaffung der CO2-Abgabe und die Gewährung eines bundesweiten Heizkostenzuschusses für bedürftige Personen bis hin zur Einführung von Preisdeckeln für Sprit und Grundnahrungsmittel reichen. Einmal mehr spricht sich die FPÖ außerdem für die Aufhebung all jener Sanktionen gegen Russland aus, die negative finanzielle Auswirkungen auf Österreicher:innen zeigen.

Gerade was die CO2-Steuer betrifft, appellierte Belakowitsch an die Regierungsparteien, die bevorstehende Einführung doch noch abzublasen. Die Inflation werde dadurch „ohne Not“ noch mehr befeuert, bemängelte sie. Schließlich würden höhere Spritkosten auch auf andere Waren durchschlagen. Der Antrag wurde bei der Abstimmung allerdings von keiner anderen Fraktion mitunterstützt und blieb damit in der Minderheit.

ÖVP UND GRÜNE: VALORISIERUNG SICHERT KAUFKRAFT

Wenig Verständnis für den FPÖ-Antrag zeigte ÖVP-Abgeordnete Tanja Graf. Sie sprach von „zum Teil skurrilen Forderungen“ und plädierte unter anderem dafür, die Lohnverhandlungen bei den Kollektivertragspartnern zu belassen. Zudem verwies sie auf die vielen bereits beschlossenen bzw. vereinbarten Entlastungsmaßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression, Einmalzahlungen und Energiegutscheine, die Senkung der Lohnnebenkosten, die Aussetzung der Ökostrompauschale und die Stromkostenbremse.

Was das vorliegende Gesetzespaket betrifft, sprach auch ÖVP-Abgeordneter Norbert Sieber von einem „Meilenstein“. Die außertourliche Erhöhung der Schülerbeihilfen sei eine wichtige Unterstützung für betroffene Familien, bekräftigte er. Zudem hofft der Abgeordnete, dass die künftige Nichtanrechnung des Familienzeitbonus auf das Kinderbetreuungsgeld den Papamonat attraktiver machen wird. Zur Kritik der SPÖ in puncto Arbeitslosengeld merkte ÖVP-Sozialsprecher Ernst Gödl an, von den vorliegenden Valorisierungen und den weiteren Entlastungsmaßnahmen des Bundes würden auch Arbeitslose profitieren.

Grünen-Sozialsprecher Markus Koza erinnerte daran, dass die Sozialverbände schon seit Jahrzehnten eine Anpassung von Sozial- und Familienleistungen an die Inflation fordern. Nunmehr werde diese Forderung umgesetzt. Dadurch bleibe die reale Kaufkraft der betreffenden Leistungen erhalten. Das sei „ein ganz wichtiger Schritt zur Festigung und zum Ausbau des Sozialstaates“.

NEOS KRITISIEREN ERHÖHUNG DES REHABILITATIONSGELDES

Namens der NEOS kündigte Gerald Loacker die Zustimmung zu Teilen des Gesetzespakets im Plenum an. Dieses sei grundsätzlich nachvollziehbar, meinte er, im Ganzen könne seine Fraktion es aber nicht mittragen.

Kritik übte Loacker unter anderem an der Einbeziehung des Rehabilitationsgeldes in das Paket. Es gebe keine Notwendigkeit, das zu tun, meinte er, zumal das Rehabilitationsgeld insgesamt „eine Fehlkonzeption“ sei und grundsätzlich überarbeitet gehörte. Loacker sieht etwa nicht ein, dass das Rehageld – anders als zuvor die befristete Invaliditätspension – pensionserhöhend wirkt. Ein Dorn im Auge ist ihm außerdem, dass bei Sozialleistungen die volle Inflationsabgeltung gewährt wird, während die kalte Progression nur zu zwei Dritteln abgegolten werde. Er sieht darin eine Benachteiligung der Steuerzahler:innen.

SPÖ DRÄNGT AUF REPARATUR DES PENSIONSGESETZES

Von der Ausschussmehrheit abgelehnt wurde ein SPÖ-Antrag betreffend Reparatur des Pensionsgesetzes (2738/A(E)). Konkret geht es dabei darum, pensionierte Landes- und Gemeindebedienstete in Bezug auf die Steuerbefreiung und Unpfändbarkeit des Teuerungsausgleichs nicht zu benachteiligen. Sowohl Grüne als auch ÖVP erachten eine Gesetzesänderung allerdings für überflüssig, ihrer Ansicht nach kommt es zu keinen Benachteiligungen für die angesprochene Personengruppe. Vielmehr würde die von der SPÖ angestrebte Gesetzesänderung eine doppelte Begünstigung zur Folge haben.

VOLKSBEGEHREN „BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN UMSETZEN!“

Formal aufgenommen hat der Sozialausschuss auch die Beratungen über das Volksbegehren „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!“, das von 168.981 Personen bzw. 2,66% der Bevölkerung unterzeichnet worden war. Die Beratungen darüber sollen zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, wobei sich in der Ersten Lesung im Nationalrat alle fünf Parlamentsfraktionen kritisch zur Forderung des Volksbegehrens geäußert haben.

Kurz im Ausschuss zu Wort meldete sich der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Klaus Sambor: Es sei den Initiator:innen klar, dass vor einer Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens noch viele Dinge geklärt werden müssten, sagte er, nichtsdestotrotz hält er ein solches durchaus für mach- und finanzierbar. So könnten etwa neue Vermögenssteuern zur Finanzierung beitragen. Sambor schlägt vor, einen Bürgerrat ähnlich dem Klimarat einzusetzen, um über die Höhe und Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu beraten. In einem großen Feldversuch könnte das Vorhaben zudem simuliert und damit Erfahrungen und notwendige Erkenntnisse gewonnen werden.

Ein Grundeinkommen könnte sich etwa positiv auf die Balance zwischen bezahlter Erwerbsarbeit, unbezahlter gesellschaftlicher Arbeit und Freizeit auswirken und die Chancengleichheit und Selbstbestimmung von Frauen verbessern, glaubt Sambor. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs

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