Parlament: TOP im Nationalrat am 7. Juli 2023

Korruptionsstrafrecht, Cybercrime, Datenschutzbericht, virtuelle Verfahren, Kontrollkommission Verfassungsschutz, Volksbegehren

Am Freitag werden sich die Abgeordneten in der Nationalratssitzung unter anderem mit zahlreichen Gesetzesvorlagen aus dem Justizbereich befassen. Ausweitungen im Korruptionsstrafrecht betreffen etwa einen neuen Straftatbestand „Mandatskauf“. Neben einem höheren Strafrahmen für Cybercrime-Delikte stehen außerdem Nachschärfungen im Jugendgerichtsgesetz, die dauerhafte Ermöglichung von Videoverhandlungen in zivilgerichtlichen Verfahren sowie die Verlängerung von gesetzlichen Bestimmungen in Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen zur Debatte. Beschäftigen werden sich die Abgeordneten auch mit dem Datenschutzbericht sowie mit sieben neu eingelangten Volksbegehren, die einer Ersten Lesung unterzogen werden. Gewählt werden sollen schließlich die fünf Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz, wobei der Vorschlag des Hauptausschusses einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Die Sitzung ist die letzte in der Tagungsperiode 2022/23.

FRAGESTUNDE

Die Sitzung beginnt um 09.00 Uhr mit einer Fragestunde mit Finanzminister Magnus Brunner.

OPEN-SOURCE-PRODUKTE FÜR DIGITALE SOUVERÄNITÄT ÖSTERREICHS

An der Spitze der Tagesordnung steht ein gemeinsamer Entschließungsantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS betreffend die Stärkung der digitalen Souveränität Österreichs. Die Bundesregierung soll demnach analysieren, inwieweit der flexiblere und vermehrte Einsatz von Open-Source-Produkten zu diesem Ziel beitragen kann. Im Detail sprechen sich die Abgeordneten etwa für eine Evaluierung der geschäftskritischen IT-Verfahren des Bundes in Bezug auf die digitale Souveränität aus. Dabei sei insbesondere auch zu untersuchen, ob und wie weit die eingesetzten Software-Produkte kurz- bzw. mittelfristig durch Open-Source-Software (OSS) substituiert werden könnten. Weiters gilt es laut den Abgeordneten, einen Open-Source-Katalog der Bundesverwaltung zu erstellen, der für eine bessere Übersicht sowie den notwendigen Austausch für einen breiteren Einsatz von OSS sorgen kann. Im Forschungsausschuss wurde der Antrag einstimmig angenommen.

DATENSCHUTZBERICHT 2022

Der Datenschutzbericht 2022 passierte den Justizausschuss mit einer einstimmigen Kenntnisnahme und wird auf Initiative der SPÖ im Plenum behandelt. Fast 5.000 Beschwerden im Kontext mit der Versendung von Schreiben zur Impfung gegen COVID-19 wurden demnach insgesamt bis Ende 2022 bei der Datenschutzbehörde eingereicht. Erledigt worden sei daher ein Vielfaches an Individualbeschwerden der vergangenen Jahre, so der Bericht.

Im Hinblick auf diese Datenschutzbeschwerden zu den Impfzusendungen gelangte die Datenschutzbehörde in ihren Verfahren gegen den Dachverband der Sozialversicherungsträger zur Ansicht, dass sich dieser auf eine Bestimmung des ASVG stützen konnte und wies die Beschwerden entsprechend ab. In den Verfahren gegen den Gesundheitsminister, das Amt der Vorarlberger Landesregierung und das Amt der Tiroler Landesregierung sei die Datenschutzbehörde hingegen zum Ergebnis gekommen, dass sich die Verantwortlichen auf keine entsprechende gesetzliche Grundlage stützen konnten und habe den Beschwerden daher stattgegeben.

Hervorgehoben wird im umfassenden Bericht unter anderem auch das gemeinsam mit der Universität Wien durchgeführte und von der Europäischen Kommission geförderte Projekt „privacy4kids“, dessen Ziel es ist, Kindern und Jugendlichen das Thema Datenschutz näherzubringen und ihnen zu erklären, welche Gefahren für ihre Privatsphäre im Internet bestehen beziehungsweise wie sie sich vor Betrug im Netz und Manipulation in sozialen Medien schützen können. Dazu wollen die Abgeordneten schon am Donnerstag eine Entschließung fassen.

VIDEOVERHANDLUNGEN IN ZIVILGERICHTLICHEN VERFAHREN

Mit einer bewährten Praxis während der Corona-Pandemie erklärt die Bundesregierung ihren Novellenentwurf für virtuelle Zivilprozesse, womit Videozuschaltungen vor Gericht bei Zivilverfahren weiterhin ermöglicht werden sollen. Die Übernahme dieser Regelung zur Verfahrenserleichterung in das Dauerrecht werde sowohl von Rechtsanwalts- als auch von Richterseite gewünscht. Die Richterin oder der Richter hat jedoch gemäß Regierungsvorlage weiterhin physisch im Verhandlungssaal anwesend zu sein, um mit einem „Aufruf zur Sache“ die Verhandlung zu starten. Damit sei auch die verfassungsrechtlich gebotene Möglichkeit einer Teilnahme der Öffentlichkeit sichergestellt, heißt es in den Erklärungen zum Entwurf.

Für die Vorlage sprachen sich im Justizausschuss ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne aus. Festgelegte Einschränkungen zur Anberaumung einer Videoverhandlung sollen laut Justizministerium sicherstellen, dass sie nur für jene Verhandlungssituationen angewendet werden, die für den Einsatz von Videotechnologie geeignet sind. Im Ausschuss wurde etwa auch die Widerspruchsmöglichkeit hervorgehoben.

Zusätzliche Änderungen im Bundesverwaltungsgerichtsgesetz schreiben den Umlaufweg als Möglichkeit zur Abstimmung und Beschlussfassung der Senatsmitglieder bzw. der Laienrichter:innen am Bundesverwaltungsgericht fest.

VIRTUELLES GESELLSCHAFTER-VERSAMMLUNGSGESETZ

Mit dem neuen Gesetz zur Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen will die Regierung Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen sowie Versicherungsvereinen ein Wahlrecht einräumen, ob sie ihre Gesellschafterversammlungen künftig in Präsenz, virtuell oder hybrid durchführen wollen. Die während der COVID-19-Pandemie zeitlich befristete gesetzliche Grundlage für „virtuelle Versammlungen“ soll somit in den geltenden Rechtskanon überführt werden, konkret ab 14. Juli 2023. Damit könne rechtsformübergreifend die passendste Versammlungsform gemäß den Regelungen im jeweiligen Gesellschaftsvertrag gewählt werden, heißt es in der Erklärung zum Gesetzesentwurf, wobei das Justizressort mit Verweis auf die unterschiedlichen Unternehmens- und Gesellschafterstrukturen mögliche Kosteneinsparungen nicht spezifizieren will.

Durch den Wegfall der Reisetätigkeit von Aktionär:innen würden bei virtuellen Versammlungen aber etwa die CO2-Emissionen deutlich reduziert, auch der Papierverbrauch sei geringer. Erwartet wird außerdem eine Erhöhung und Diversifizierung der Hauptversammlungs-Präsenz. Für börsennotierte Aktiengesellschaften sieht die Vorlage eigene Sonderbestimmungen vor, etwa hinsichtlich Wortmeldungen und Stimmrechte. Die Materie passierte den Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen.

UMGRÜNDUNGSRECHT VON KAPITALGESELLSCHAFTEN

Mit der Gesetzesvorlage zur Umsetzung einer im Jahr 2021 beschlossenen gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinie („Mobilitäts-Richtlinie“) soll für Kapitalgesellschaften zum einen ein Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen geschaffen werden. Zum anderen ist eine Aktualisierung der geltenden Bestimmungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgesehen. Die Bestimmungen für alle drei Umgründungsarten sollen sich künftig in einem einheitlichen Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union („EU-Umgründungsgesetz“) finden. Das bisherige „EU-Verschmelzungsgesetz“ könne dann aufgehoben werden, so die Erläuterungen.

Da sich das österreichische Umgründungsrecht prinzipiell bewährt habe, bestehe kein Anlass, es im Rahmen der Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie grundlegend zu verändern, heißt es in der Vorlage. Die bisherige Gesetzessystematik des österreichischen Umgründungsrechts soll daher nur soweit verändert werden, als dies zur Umsetzung der Richtlinie erforderlich ist. Eine wesentliche unionsrechtliche Neuerung stelle dabei eine Missbrauchskontrolle dar, die künftig bei allen drei grenzüberschreitenden Umgründungsarten durch die zuständige Behörde des Wegzugsmitgliedstaats – in Österreich: durch das Firmenbuchgericht – durchzuführen sei.

AUSWEITUNGEN IM KORRUPTIONSSTRAFRECHT

Neue Regelungen zur Korruptionsbekämpfung passierten den Justizausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen. Mit der Regierungsvorlage aus dem Justizministerium soll die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und der Bestechung auf Personen im Fall einer künftigen Amtsträgereigenschaft erweitert werden. Erreicht werden soll, dass nicht nur die aufrechte Amtsträgerschaft, sondern bereits die Positionierung als Person, die in Zukunft ein solches Amt bekleidet, eine Verantwortlichkeit im korruptionsstrafrechtlichen Kontext auslöst. Zur Bestrafung soll es jedoch nur kommen, wenn es tatsächlich zur Angelobung bzw. zur Einnahme des Sitzes gekommen ist, so die Erläuterungen.

Eingeführt werden soll unter anderem auch ein Straftatbestand „Mandatskauf“ sowie eine Aberkennungsmöglichkeit eines Mandats oder Amts. Die Definition des/der „Kandat:in für ein Amt“ wurde in der Ausschussdebatte unter anderem auch innerhalb der Koalition, seitens der ÖVP, kritisiert. Justizministerin Alma Zadić meinte, sie sei bis zum Plenum gerne bereit, gemeinsam eine noch bessere Formulierung zu finden.

HÖHERE STRAFRAHMEN FÜR CYBERCRIME-DELIKTE

Dem „erhöhten sozialen Störwert“ verschiedener bestehender Cybercrime-Delikte soll durch eine deutliche Erhöhung von Strafdrohungen Rechnung getragen werden, sieht eine aktuelle Regierungsvorlage vor. Das Hacken eines Computers soll künftig mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe statt bisher sechs Monaten bedroht werden. Bei Cyber-Angriffen auf kritische Infrastruktur erhöht sich der Rahmen auf bis zu drei Jahre bzw. im Rahmen einer kriminellen Vereinigung auf bis zu fünf Jahre.

Mit den vorliegenden Änderungen im Strafgesetzbuch ist darüber hinaus auch bei den Straftatbeständen zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine Anhebung der Strafdrohungen vorgesehen. Zudem sollen die Verletzung bzw. Auskundschaftung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen als Offizialdelikte ausgestaltet werden, um damit die geschädigte Person vom Kostenrisiko zu befreien, wenn sie die Strafverfolgung wünscht. Auch soll die geschädigte Person aufgrund der Sensibilität des Gegenstands darüber entscheiden können, ob gegebenenfalls überhaupt eine Strafverfolgung stattfinden soll. Angehoben werden soll überdies die Strafdrohung zur Verletzung von Berufsgeheimnissen.

Auch im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wird für die Straftatbestände zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine deutliche Anhebung der Strafdrohungen vorgeschlagen, nämlich von bisher drei Monaten Freiheitsstrafe auf ein Jahr. Damit soll auch die Umsetzung von EU-Vorgaben verbessert werden. Auch hier sollen die Straftatbestände von Privatanklage- in Ermächtigungsdelikte umgewandelt werden.

NACHSCHÄRFUNGEN IM JUGENDGERICHTSGESETZ

ÖVP und Grüne wollen mit Änderungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) punktuell Regelungen nachschärfen, die 2022 durch das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz vorgenommen wurden, aber erst mit 1. September 2023 in Kraft treten werden.

So sollen bei Langzeitunterbringungen von über zehn Jahren in Zukunft verpflichtende Fallkonferenzen stattfinden, um Untergebrachte bestmöglich auf eine bedingte Entlassung vorzubereiten. Eine solche Fallkonferenz soll zumindest alle drei Jahre stattfinden. Die Unterbringung eines gefährlichen terroristischen Straftäters oder einer Straftäterin in einer Anstalt für gefährliche Rückfalltäter:innen wegen einer Jugendstraftat soll entsprechend der Bestimmung im StGB mit zehn Jahren befristet werden, sodass eine eigene Regelung im JGG entfallen soll.

Klargestellt werden soll unter anderem weiters, dass auch im Hauptverfahren die Möglichkeit besteht, anstelle eines kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen ersatzweise auch einen Sachverständigen der klinischen Psychologie des Kindes- und Jugendalters beizuziehen. Mitbeschlossen wurde im Justizausschuss mit der Vorlage ein Abänderungsantrag der Koalitionsparteien mit Klarstellungen. So muss etwa der Prüfung, ob die strafrechtliche Unterbringung aufrechtzuerhalten ist, jedenfalls ein Gutachten zugrunde liegen. Für den Fall, dass Gerichte bereits im Vorgriff auf die neuen Regelungen die Entlassung für einen Zeitpunkt ab 1. September 2023 ausgesprochen haben, soll ausdrücklich im Gesetz angeordnet werden, dass derartige Beschlüsse ohne Wirkung sind.

MASSNAHMEN FÜR AUS DEM MASSNAHMENVOLLZUG ZU ENTLASSENDE

Ein NEOS-Antrag blieb im Justizausschuss in der Minderheit. Seitens der ÖVP hieß es dazu etwa, die Fallkonferenzen in der Änderung im Jugendgerichtsgesetz würden genau die geforderten Schnittstellen darstellen. Die NEOS zielen mit ihrem Antrag auf konkrete Maßnahmen der Justizministerin in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen und Organisationen zur begleitenden Unterstützung und Betreuung für jene im Maßnahmenvollzug untergebrachte Personen ab, für die ab dem 1.September 2023 die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr vorliegen.

Die Regelungen des Maßnahmenvollzuganpassungsgesetzes 2022 in der bisherigen Form würden aus Sicht der NEOS dazu führen, dass per 1. September 2023 auch Personen aus dem Maßnahmenvollzug zu entlassen sind, die als junge Erwachsene vor mehr als 15 Jahren schwerwiegende Straftaten unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangen haben und nur deshalb nicht bestraft werden konnten, weil sie zum Zeitpunkt der Tat wegen dieser Störung zurechnungsunfähig waren. Es stehe die begründete Befürchtung im Raum, dass diese plötzlich in die Freiheit und umfassende Selbstversorgung entlassenen Personen mit ihrer neuen, komplett geänderten Lebenssituation nicht zurechtkommen und aus der dadurch bedingten Überforderung heraus neuerlich strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzen, so die NEOS.

ZUSTÄNDIGKEIT FÜR AUSNAHMEN VON RUSSLAND-SANKTIONEN

Gemäß den geltenden Russland-Sanktionen ist es der öffentlichen Hand grundsätzlich verboten, Aufträge oder Konzessionen an Personen, Organisationen oder Einrichtungen aus der Russischen Föderation zu vergeben bzw. derartige Aufträge oder Konzessionen fortzuführen. Allerdings können die einzelnen EU-Staaten laut entsprechender EU-Verordnung für bestimmte, taxativ aufgezählte Bereiche Ausnahmen festlegen bzw. genehmigen. In Österreich hat der Nationalrat im Oktober 2022 beschlossen, dass für solche Genehmigungen das Justizministerium zuständig ist. Mit einem Initiativantrag wollen ÖVP und Grüne diese derzeit bis 31. Dezember 2023 befristete Regelung nun bis zum 31. Dezember 2025 verlängern. Im Justizausschuss sprachen sich die Abgeordneten mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS für die Verlängerung aus. Damit scheint die im Plenum erforderliche Zweidrittelmehrheit gesichert.

WAHL DER MITGLIEDER DER KONTROLLKOMMISSION VERFASSUNGSSCHUTZ

Mehr als ein Jahr später als geplant werden die Abgeordneten die fünf Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz wählen. Der Hauptausschuss hat die Jurist:innen Reinhard Klaushofer, Monika Stempkowski, Theo Thanner, Christof Tschohl und Ingeborg Zerbes für die zehnjährige Funktionsperiode vorgeschlagen.

Aufgabe der Kontrollkommission ist es, die gesetzmäßige Aufgabenerfüllung der für den Verfassungsschutz zuständigen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie der entsprechenden Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen durch begleitende Kontrolle sicherzustellen. Zuletzt wurde die Zahl der Kommissionsmitglieder von drei auf fünf aufgestockt, um eine Einigung zwischen den Parlamentsfraktionen zu erleichtern.

Für die Wahl ist im Plenum eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im Hauptausschuss wurden vier der fünf vorgeschlagenen Kandidat:innen einstimmig unterstützt. Monika Stempkowski erhielt die Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. Die Freiheitlichen hatten statt der Juristin einen anderen Kandidaten vorgeschlagen.

VOLKSBEGEHREN „ECHTE DEMOKRATIE“

Zum Abschluss der Plenarwoche werden die Abgeordneten ein erstes Mal über jene sieben Volksbegehren diskutieren, die vor kurzem im Nationalrat eingelangt sind. Den Auftakt macht das – inklusive Begründung – 25 Seiten starke Volksbegehren „Echte Demokratie“, das zuallererst „ein absolutes Diktaturverbot“, Versammlungsfreiheit, ein „faires Wahlrecht“ ohne Prozenthürden sowie durch das Volk einleitbare Volksabstimmungen – etwa in Form von Volksbegehren – fordert und von 131.619 Österreicher:innen bzw. 2,07 % der Wahlberechtigten unterzeichnet wurde. Entscheidungen durch das Volk würden zwar viel länger dauern, dafür seien Volksentscheidungen „deutlich besser als Politikerentscheidungen“, sind die Initiator:innen rund um Robert Marschall überzeugt.

In die Begründung des Volksbegehrens sind dann zahlreiche weitere Forderungen verwoben. Sie reichen von einer Beendigung der Schuldenpolitik Österreichs und einer Rückkehr zum Schilling über eine massive Senkung der Parteienförderung und eine Abschaffung der Briefwahl bis hin zur Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre und zu einer Begrenzung der Amtszeit von Nationalratsabgeordneten auf maximal 10 Jahre. Auch soll ein Wechsel von der Abgeordnetenbank auf die Regierungsbank erst nach einer zehnjährigen „Abkühlphase“ erlaubt sein und Koalitionen im Parlament, die die Initiator:innen als „Kartellbildung“ bezeichnen, verboten und unter empfindliche Strafe gestellt werden.

VOLKSBEGEHREN „BEIBEHALTUNG SOMMERZEIT“

Das Volksbegehren zur Festlegung der Sommerzeit als „Normalzeit“ während des gesamten Jahres wurde von 120.115 Wahlberechtigten unterzeichnet. Gefordert wird, anstatt der Umstellung auf die Winterzeit die Sommerzeit gesetzlich während eines gesamten Kalenderjahres beizubehalten. Die zwei Zeitumstellungen jedes Jahr hätten in mehrfacher Hinsicht nachteilige Auswirkungen, begründen die Proponent:innen ihre Initiative und nennen negative Effekte auf den Biorhythmus von Mensch und Tier, wie „Jetlag“-ähnliche Auswirkungen, und somit auf verschiedene Arbeitsbereiche. Zudem führe der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit zu einem hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Der ursprüngliche Zweck der Zeitumstellung, nämlich die Energieersparnis, werde nicht mehr erfüllt. Dagegen würde die Beibehaltung der Sommerzeit eine Stunde mehr Sonnenlicht und somit Aktivitätszeit bringen, stellt die Forderung auf „bessere Lichtausschöpfung“ ab. Die Initiator:innen des Volkbegehrens sehen ihr Anliegen bekräftigt durch einen Vorschlag der EU-Kommission zugunsten der Sommerzeit, dem das EU-Parlament bereits 2019 zugestimmt hat.

VOLKSBEGEHREN „GIS-GEBÜHREN NEIN“

Das Volksbegehren „GIS-Gebühren NEIN“ ist bereits das dritte, das eine Abschaffung der ORF-Gebühren fordert. Es erhielt mit exakt 167.406 Unterschriften (2,64 % der Wahlberechtigten) zwar erheblich weniger Unterstützungserklärungen als die vorangegangenen Initiativen mit demselben Anliegen, nach Meinung von Initiator Marcus Hohenecker und seinen Mitstreiter:innen ist das Ergebnis aber eindeutig. „Eine überwältigende Mehrheit von mehr als 90 %“ wolle die GIS-Gebühren abgeschafft sehen, schließlich habe eine gleichzeitig aufliegende Initiative mit dem Titel „GIS-Gebühren JA“ nicht einmal die für die Einleitung eines Volksbegehrens nötigen 8.401 Unterschriften erhalten, argumentieren sie. Konkret gefordert wird, sämtliche allgemeinen Gebühren und Abgaben zur Finanzierung des ORF zu beseitigen.

VOLKSBEGEHREN „LIEFERKETTENGESETZ“

Für die Sicherstellung einer lückenlosen Dokumentation von Lieferketten sowie die Einhaltung umfassender Rechtsstandards bei Warenproduktion und -transport setzen sich 120.397 Wahlberechtigte mit ihrer Unterschrift des Volksbegehrens „Lieferkettengesetz“ ein. Konkret zielt die Forderung auf ein Lieferkettengesetz ab, das Unternehmen und Konzerne dazu verpflichtet, bei ihren Waren sämtliche Produktionsprozesse und Transportwege offenzulegen. Weiters sei auf Grundlage eines derartigen Gesetzes zu garantieren, dass entlang der gesamten Lieferkette von in Österreich vertriebenen Waren die Einhaltung der Menschenrechte sowie des Arbeits-, Tier- und Umweltschutzes gesichert ist. Importierte Produkte müssten also den gleichen hohen Rechtsstandards entsprechen wie in Österreich hergestellte Waren. Verletzungen dieser Sorgfaltspflichten seien mit wirksamen Sanktionen zu ahnden. Als Beispiel in diesem Zusammenhang führen die Proponent:innen das Lieferkettengesetz in Deutschland an.

VOLKSBEGEHREN „UNABHÄNGIGE JUSTIZ SICHERN“

Für die Sicherstellung einer unabhängigen Justiz in Österreich machen sich in einem diesbezüglichen Volksbegehren 143.217 Wahlberechtigte stark. Zur Gewährleistung politisch unbeeinflusster Strafverfahren wird gefordert, die 2008 abgeschafften Untersuchungsrichter:innen wieder einzusetzen. Diesen würde vor allem in der Anfangsphase eines Ermittlungsverfahrens als weisungsungebundene und nicht ab- oder versetzbare Entscheidungsträger:innen eine wichtige Rolle zukommen. Nicht zuletzt würden Beschlüsse von Richterseite dem Grundrecht auf ein faires Verfahren Genüge tun.

Weiters wird in dem Volksbegehren die Aufnahme der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in die Verfassung sowie die Einrichtung einer von Kontinuität gekennzeichneten Bundes- bzw. Generalstaatsanwaltschaft eingemahnt. Deren personelle Unabhängigkeit sei schon im Bestellungsverfahren maßgeblich. Die Generalstaatsanwaltschaft habe dem Parlament gegenüber verantwortlich zu sein, allerdings nur im Hinblick auf Auskünfte über bereits abgeschlossene Verfahren. Dadurch soll bereits dem Anschein politischer Einflussnahme auf laufende Ermittlungen entgegengewirkt werden, so die Erklärung der Forderung.

VOLKSBEGEHREN „NEHAMMER MUSS WEG“

Mit 106.440 Unterschriften knapp die 100.000er-Hürde übersprungen hat das Volksbegehren „Nehammer muss weg“, das wie das Volksbegehren „ECHTE Demokratie“ von Robert Marschall initiiert wurde. Bundeskanzler Karl Nehammer habe das Vertrauen der Wähler:innen und das Vertrauen in die Demokratie grob missbraucht, argumentieren er und seine Mitstreiter:innen und verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf die unter der Regierung Nehammer eingeführte COVID-19-Impfpflicht sowie den Terroranschlag in Wien während Nehammers Amtszeit als Innenminister. Auch das Vorgehen der Polizei „gegen das friedliche Volk bei Kundgebungen“ während der Corona-Pandemie, die ihrer Meinung nach verfehlte Russland-Politik der Regierung und die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze durch die ÖVP beim Wahlkampf zur Nationalratswahl 2019 kreiden sie dem Bundeskanzler an. Nehammer sei zudem nie vom Volk zum Bundeskanzler gewählt worden und habe mit seinem Wechsel vom Nationalrat in die Regierung „einen Bruch der Gewaltentrennung“ begangen, heißt es im Volksbegehren.

Konkret gefordert wird, Artikel 41 der Bundesverfassung dahingehend zu ändern, dass alle Beschlüsse des Nationalrats und damit auch Misstrauensbeschlüsse gegen Bundeskanzler Karl Nehammer per Volksbegehren begehrt werden können.

VOLKSBEGEHREN „BARGELD-ZAHLUNG: OBERGRENZE NEIN!“

Das Volksbegehren „Bargeld-Zahlung: Obergrenze NEIN!“ setzt sich schließlich generell gegen eine Beschränkung oder Abschaffung von Bargeld sowie konkret gegen eine Beschränkung von Bargeldzahlungen auf 10.000 bis 15.000 € ein. Aus Sicht des Bevollmächtigten Werner Bolek bedeutet Bargeld Freiheit und darf weder beschränkt noch abgeschafft werden. Die Intentionen der EU und mehrerer Parteien in Österreich, Bargeld-Zahlungen zu beschränken, empfinden die Proponent:innen als unzulässigen Eingriff in die demokratischen Rechte und lehnen sie daher strikt ab. 121.350 Unterzeichner:innen fordern daher den Beschluss eines Bundesverfassungsgesetzes zur dauerhaften Absicherung von uneingeschränkten Bargeldzahlungen. (Schluss TOP im Nationalrat) gs/mbu/kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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