Gesundheitsreformpaket: psychosoziale Versorgung ohne Kinder- und Jugendpsychiatrie gedacht
Reformschritte wollen psychosoziale Versorgung unterstützen, bringen jedoch keine Verbesserungen der angespannten kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungsrealität
Die aktuell vorgestellten Sofortmaßnahmen im Gesundheitsreformpaket versprechen Änderungen im Bereich der Kassenstellen, der Prävention der Gesundheitsförderung, der Digitalisierung, des Gesundheitssystems und dem Ausbau der psychosozialen Versorgung. Hier wird die Förderung von Kassenstellen durch finanzielle Anreize in den Gebieten Allgemeinmedizin, Gynäkologie sowie Kinder- und Jugendheilkunde gestützt, ebenso sollen die Digitalisierung des Gesundheitssystems, Prävention und Vorsorgeprogramme vorangetrieben werden. Im Bereich des Ausbaus der psychosozialen Versorgung wird eine Aufnahme der klinisch-psychologischen Behandlung in das Sozialversicherungsgesetz ebenso wie eine Verlängerung des Projekts „Gesund aus der Krise“ benannt, sowie eine Novelle des Psychotherapiegesetzes in dessen Verlauf eine Akademisierung der Ausbildung als Reformschritt hervorgehoben wird. Abgesehen davon, dass der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung nicht durch einen Mangel an Psychotherapeut:innen begründet ist, sondern vielmehr an einer (immer noch) fehlenden durchgehenden Kassenfinanzierung von Psychotherapie scheitert, so lässt aus Sicht der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie das vorgelegte Maßnahmenpaket wichtige Reformschritte vermissen.
Trotz des lange bekannten und vielfach kommunizierten Mangels in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung, findet sich das Fach der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht unter den Fächern, die mit Anreizen für vergünstigte Bedingungen im Bereich der Kassenstellen gefördert werden. Die notwendige Förderung von Lehrpraxen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde ebenso wenig aufgegriffen wie Überlegungen zur Vergrößerung des Fachärzt:innenangebots etwa durch die geförderte Finanzierung von Ausbildungsstellen oder den erleichterten Zugang zur Erlangung eines Doppelfachärzt:innentitels mit der Erwachsenenpsychiatrie. „Es wird benannt, dass knapp 23% der österreichischen Bevölkerung jedes Jahr von psychischen Störungen betroffen ist. Dass aber Kinder und Jugendliche, insbesondere seit der Covid Pandemie, nachweislich inzwischen zu gut 30% psychisch belastet sind, wird nicht erwähnt oder in den benannten Fördermaßnahmen berücksichtigt“, so Univ-Prof. Dr. Isabel Böge. „Dringend nötig für Kinder und Jugendliche wären erreichbare, niederschwellige aber auch intensive ambulante Versorgungsmodelle sowie hinreichend Kassenstellen oder neue Versorgungsmodelle wie regelfinanziertes Hometreatment.“
Auch im Bereich der Prävention werden Themen für die somatische Gesundheit klar benannt. Es fehlt aber eine Initiative im Bereich der Präventionsarbeit für psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen, etwa dringend benötigte Programme im Bereich der Suizidprävention. So meint Univ. Prof. Dr. Paul Plener, Präsident der ÖGKJP: „Trotz unserer zahlreichen Appelle an die Politik bleiben unsere Forderungen weiterhin ungehört. Wir begrüßen jeden Schritt der Verbesserung der psychosozialen Gesundheit von Jugendlichen, müssen aber darauf hinweisen, dass keiner der hier genannten Schritte die prekäre Versorgungssituation im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie verbessert. Offenbar ist den politisch Verantwortlichen nicht ausreichend klar, vor welchen Herausforderungen wir in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung stehen.“
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie – ÖGKJP
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
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