54. Wiener Gemeinderat (3)
Aktuelle Stunde
GR Harald Zierfuß (ÖVP) meinte, die größte Herausforderung in Wien sei nicht der Zuzug oder die Familienzusammenführung bei anerkannten Flüchtlingen, sondern die Integration und das Erlernen der deutschen Sprache von Kindern, die bereits hier geboren wurden. Jede*r dritte*r Erstklässler*in in Wien würde laut Zierfuß den Lehrer oder die Lehrerin nicht verstehen; das sei ein Versagen der Stadt. Es sei positiv, dass nun auch die Stadtregierung das Problem erkenne und sich die Politik mit diesem Thema beschäftige. Allerdings würden sich die Maßnahmen des Bildungsstadtrats darauf beschränken, „wieder einmal einen Arbeitskreis zu gründen“ und die Schuld für das Versagen auf den Bund abzuschieben. Die ÖVP forderte daher „spürbar mehr“ Sprachförderkräfte in den Kindergärten, ebenso müssten in der Volksschule die Zahl der Deutschförderklassen aufgestockt werden.
GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch (SPÖ) konterte Gemeinderat Krauss: Er würde populistische Politik auf Kosten der Kleinsten und Jüngsten in der Stadt machen. Das Thema in der Debatte sei vermeintlich Bildung – aber vermengt mit Fremdenhass und Xenophobie. Berger-Krotsch räumte Probleme mit der Integration ein, die Maßnahmen der Stadt seien aber redlich und würden Ergebnisse zeigen. Es sei die Bildungspolitik der Bundesregierung und des Bildungsministers, die gerechte Bildungschancen für alle Kinder ausbremse und weiter Ungerechtigkeit im Bildungssystem verfestigen würde. „Wann kommt endlich die Gesamtschule für alle 6- bis 14-Jährigen? Wo bleibt der AK-Chancenindex für Schulen? Wo steckt der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem für Frauen?“, fragte Berger-Krotsch in Richtung Bildungsminister Polaschek und der ÖVP.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) warf den anderen Parteien vor, die FPÖ „in Richtung Hass und Hetze hinzutreiben“. Er wehrte sich dagegen: Hass und Hetze würde zum Beispiel die Grüne Spitzenkandidatin für die EU-Wahl Lena Schilling verbreiten. Die 23-Jährige hätte schließlich in medial bekannt gewordenen Chats betont „nichts mehr zu hassen als die Grünen“. Die FPÖ würde nicht alles schlecht reden, sondern konstruktive Anträge einbringen – als Beispiel nannte er einen öfter eingebrachten FPÖ-Antrag zu „Deutsch als Pausensprache“. Der Antrag sei dazumal abgelehnt worden, jetzt zeige sich, dass hier geborene Kinder kein Deutsch sprechen würden. Die Familienzusammenführung verschärfe das Problem weiter, warnte Nepp. Auch den Bund nahm er in die Pflicht: Es müssten Bundesgesetze in Sachen Migration angepasst werden, um die Heimat zu schützen, forderte Nepp.
GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS) meinte, die Schule müsse ein Ort der Chance sein – und dies für jedes Kind, unabhängig von Herkunft oder Einkommen der Eltern. Integration im Bildungssystem sei eine „massive Herausforderung“, darüber hinaus herrsche auch Personalmangel im Bildungsbereich, sagte Emmerling. Ein starres und geschlossenes Bildungssystem und der immer noch nicht umgesetzte Chancenindex für Schulen würde die Situation verschlechtern, ebenso die wenigen Ganztagsschulen, so Emmerling in ihrer Bestandsaufnahme. Das größte Problem sei aber, dass in der Bildungspolitik nicht alle an einem Strang ziehen würden, meinte Emmerling. Auf die Chancen für Kinder würde zu wenig Bedacht genommen. Daher gelte es, in Wien das Beste aus dem System zu machen; dazu gehörten Maßnahmen wie der Ausbau der Ganztagsschulen in der Stadt, das Gratis-Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung mit Lernbegleitung sowie für alle Eltern leistbare Sommer-Lernangebote. Das würde die Chancenungleichheit in der Gesellschaft aufbrechen und Bildungsinnovation weiterbringen. In Wien gebe es gute Schulen und engagierte Pädagog*innen, diese würden von der Stadtregierung auch unterstützt.
GRin Mag. Berivan Aslan (GRÜNE) kritisierte die Rechtspopulist*innen dafür, zugewanderte Schüler*innen zu Sündenböcken für die Probleme im Bildungsbereich zu machen. Es brauche keine rassistischen Sündenbock-Theorien, die die Gesellschaft vergiften, verwehrte sich Aslan. Der Familiennachzug sei ein verbrieftes Recht. Es brauche strukturelle Verbesserungen im Bildungssystem, die FPÖ nutze das Problem, um bei den nächsten Wahlen billige Stimmen zu sammeln.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) konterte: Sobald man ein Problem anspricht, werde man als Oppositionspolitikerin als rassistisch gebrandmarkt. Der Grund für das Scheitern der Integrationspolitik sei die schlechte Integrationspolitik der Stadt in Kombination mit der „schieren Masse“ der Menschen, die integriert werden müssten. Das Asylrecht gehe auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück und sei nicht auf „interkontinentale“ Flucht ausgelegt, sondern sehe vor, dass sich Menschen temporär in das nächste sichere Nachbarland flüchten. Das System gehöre neuen Gegebenheiten angepasst, forderte Hungerländer. Sie kritisierte Stadtrat Wiederkehr dafür, zu spät auf absehbare Herausforderungen wie mangelnde Sprachkenntnisse oder den Familiennachzug zu reagieren. Sie forderte außerdem, dass Sanktionen wie die Kürzung der Mindestsicherung bei Abbruch von Sprachkursen bei Flüchtlingen in Wien auch umgesetzt werden.
GR Mag. Marcus Schober (SPÖ) meinte, die österreichische und europäische Politik hätte in der Vergangenheit bei globalen Krisen wie dem „Arabischen Sommer“ über den Beginn des Ukraine-Kriegs mit der Besetzung der Krim durch Russland 2014 bis hin zu aktuellen Entwicklungen in Afrika weggeschaut oder aufkochende Krisenherde ignoriert. Es sei aber Fakt, dass Kriege und Unsicherheit Migration auslösen, erinnerte Schober. Europa sei ein attraktives Ziel, ebenso Österreich, und in Österreich sei eben Wien die einzige Großstadt. Schober warnte vor „radikalen Bewegungen, die nach dem Superwahljahr vielleicht im Parlament oder Stadtparlament sitzen“ und die angesprochenen Probleme „sicher nicht lösen können“. In Sachen Integration müsse ein gemeinsames Ziel sein, dass Sprache vermittelt wird. „Es wird noch mehr Bedarf über die Aktivitäten der Stadt hinaus geben, um Sprache zu vermitteln“, meinte Schober. Bei Integration gehe es neben der Vermittlung der Sprache auch um aktive Inklusion in die Gesellschaft und die Vermittlung von Werten wie Demokratie durch Bildungseinrichtungen, NGOs und Glaubensgemeinschaften, schloss Schober.
HAUPTDEBATTE: TÄTIGKEITSBERICHT DES STADTRECHNUNGSHOFES WIEN ÜBER DAS GESCHÄFTSJAHR 2023
GR Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) verwies als Berichterstatter zum Tätigkeitsbericht auf grundlegende Reformen beim Stadtrechnungshof, so sei er jetzt ein eigenes Organ im Sinne der Stadtverfassung. Er betonte außerdem, dass die meisten Untersuchungen nach Prüfersuchen der Politik durchgeführt worden seien.
GR Stefan Berger (FPÖ) lobte die Arbeit des Stadtrechnungshofes und den vorliegenden Bericht. Der Stadtrechnungshof hätte im vergangenen Jahr 68 Berichte veröffentlicht, davon seien 48 sogenannte initiative Berichte, die vom Stadtrechnungshof ausgegangen seien, und zehn Berichte nach Prüfersuchen von Parteien. Außerdem gab es im vergangenen Jahr fünf Nachprüfungen. Insgesamt seien 55 Stellen geprüft worden und in den Berichten mehr als 600 Empfehlungen ausgesprochen worden. Insgesamt umfassten die Prüfberichte mehr als 3.500 Seiten, referierte Berger aus den Zahlen zum Prüfbericht. Von den Empfehlungen des Stadtrechnungshofes seien 65,6% umgesetzt. Er lobte die Tätigkeit des Stadtrechnungshofes und strich seine Wirksamkeit bei Beanstandungen hervor. Auch Berger begrüßte, wie der Berichterstatter Kowarik vor ihm, die Reform des Stadtrechnungshofes mit seiner Herauslösung aus dem Magistrat und Etablierung als eigenes, unabhängiges Organ laut Stadtverfassung. Auch die Bestellung des Stadtrechnungshof-Direktors sei auf 12 Jahre ausgeweitet worden. Ebenso gebe es jetzt Meldepflichten gegenüber dem Stadtrechnungshof und Prüfungsmöglichkeiten des Kontrollgremiums bei den Parteien – auch dank einer Novelle des Parteienfinanzierungsgesetzes. Er sprach zu zwei Berichten des Stadtrechnungshofes aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht: Der Bericht zur Veruntreuung von Fördergeldern bei „Minibambini“ zeige das Versagen der MA 10 bei der Kontrolle. Der Stadtrechnungshof hätte einen „Volltreffer“ bei seiner Kontrolle gelandet, die aufgedeckten Malversationen hätten auch strafrechtliche Folgen für die Betreiber*innen, erinnerte Berger. Der Bericht zu Bestandsverträgen von Wiener Wohnen mit politischen Parteien hätte aufgedeckt, dass es über Jahre hindurch keine Mieterhöhungen für angemietete Sektionslokale gegeben hätte oder Mietzinserhöhungen schlichtweg ignoriert worden seien. In Zeiten von galoppierender Inflation und steigenden Mieten auch für Gemeindebaumieter*innen seien also nur Parteien in den Genuss einer „Mietpreisbremse“ gekommen, folgerte Berger. (Forts.) ato
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