ORF-DialogForum: INNOVATIV. KREATIV. ÖFFENTLICH-RECHTLICH.
Diskussion über digitale Transformation am 6. November um 0.10 Uhr in ORF III und auf ORF ON
Wir alle sind online und nutzen die Angebote der digitalen Giganten: Facebook, TikTok, WhatsApp, Instagram, Signal, X oder YouTube. Aber was bieten öffentlich-rechtliche Medien? Wie halten sie Schritt mit der enormen Technologieentwicklung? Stehen sie der globalen Social-Media-Welt ohnmächtig gegenüber und können sie den Digital Giants nur mehr zuliefern? Wie erhalten sie ihre Relevanz und Bedeutung in der Gesellschaft? Diesen Fragen stellten sich Jörg Matthes (Universität Wien), Stefan Kollinger (ORF), Sabine T. Köszegi (TU Wien), Eli Pariser (Autor des Werks „Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden“), Thomas Steinmaurer (Universität Wien), Dorien Verckist (EBU) und Carina Zehetmaier (Women in AI Austria) bei einem ORF-DialogForum am 23. September.
Die Diskussionsveranstaltung ist am Mittwoch, dem 6. November, um 0.10 Uhr in ORF III zu sehen und danach auf ORF ON abrufbar.
ORF-Public-Value-Studie „Fast Forward“
Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich auch die soeben erschienene ORF-Public-Value-Studie „Fast Forward“ zum Thema Künstliche Intelligenz (KI), die gemeinsam mit öffentlich-rechtlichen Medien im DACH-Raum und der EBU einen Überblick über die verschiedenen KI-Projekte von Public Service Broadcastern in Europa verschafft. Sie liefert etwa eine wissenschaftliche Analyse des ORF-AiDitors und eine Prüfung vielversprechender Prototypen des „Public Spaces Incubator“ von ZDF, SRG, RTBF und CBC (öffentlich-rechtlicher Medien aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und Kanada) gemeinsam mit dem Labor von Eli Pariser – jener Autor, der den mittlerweile weit verbreiteten Begriff der „Filter Bubble“ ersonnen hat und auch im ORF-DialogForum zu Wort kommt. Die Studie legt nahe, dass sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter von reinen Broadcastern zu digitalen Netzwerken mit gesellschaftlichem Mehrwert entwickeln werden. Als demokratieorientierte, vielfaltsgebundene und qualitätsgetriebene Infrastrukturen im digitalen Raum gelte es, sie finanziell abzusichern und ihre Kooperation auf europäischer Ebene zu fördern.
ORF-DialogForum bietet Einblicke in die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien
„Bei der ersten großen digitalen Transformation, der Entwicklung von Social Media, konnten die öffentlich-rechtlichen nicht Schritt halten“, konstatiert Jörg Matthes von der Universität Wien, der die europäischen Public Service Broadcaster deshalb beim Thema künstlicher Intelligenz nun besonders gefordert sieht. Er empfiehlt: „Im Bereich KI stehen wir erst am Beginn einer exponentiellen Entwicklung. Wir müssen daher groß und anders denken, statt kosmetisch vorzugehen.“
Für Stefan Kollinger, Chief Innovation Officer im ORF, liegt der Fokus in der aktuellen Explorationsphase stark auf den Chancen und Potenzialen von KI, die es zu heben gelte: „Es geht nicht darum, Redakteurinnen und Redakteure zu ersetzen. Unser Ziel ist es, sie in ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Der im ORF eigens entwickelte AiDitor macht KI deshalb sehr niederschwellig für alle Kolleginnen und Kollegen anwendbar.“
Sabine T. Köszegi von der Technischen Universität Wien ortet bei der Entwicklung von KI-Produkten einen wunden Punkt: „Aktuell gibt es Risiken, die mit der generativen KI einhergehen. Und das ist im Wesentlichen, dass diese Systeme halluzinieren und unwahre Information erzeugen können, die das Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien massiv schädigen können.“ Durch Faktenprüfung des Contents durch Journalistinnen und Journalisten werde dieses Risiko abgefangen, so Köszegi, eine vielfach erhoffte Effizienzsteigerung trete so durch KI allerdings nicht ein.
Ein schlechtes Zeugnis stellt Eli Pariser, Unternehmer und Autor, den Internetplattformen der großen Tech-Giganten aus: „Einige wenige private Unternehmen gestalten unseren öffentlichen Diskurs und kontrollieren Algorithmen für Milliarden von Menschen, das sollte kein funktionierendes Konstrukt sein.“ Mit Blick auf den europäischen Markt hätten öffentlich-rechtliche Medien hingegen große Möglichkeiten um Produkte zu launchen, die von kommerziellen Anbietern nicht entwickelt werden würden.
Nach Thomas Steinmaurer von der Universität Salzburg brauche es im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz sowohl den Top-Down-Ansatz über Regulierung als auch einen Bottom-Up-Approach über digitale Bildung. „Als Gesellschaft müssen wir aber zugleich in die Infrastruktur unserer Informationsökonomien und damit letztlich in das eigene demokratische Überleben investieren.“ Dabei brauche es „einen radikalen Wechsel von einzelnen Broadcastern zu einem Netzwerk, und damit einen Wandel der inneren DNA der Rundfunkanstalten. Es braucht Budgets für Innovationen, um konkrete Projekte und Produkte umzusetzen, die auch mit anderen öffentlich-rechtlichen Partnern in Europa kompatibel sind.“
Dorien Verckist von der European Broadcasting Union (EBU) verortet bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen großen Willen zur Veränderung: „Die Werte, für die öffentlich-rechtliche Medien stehen, sind universal, daran wird auch in Zukunft nicht gerüttelt. Aber öffentlich-rechtliche Medien bewegen sich mit der Gesellschaft, und das bewegt sie auch zur Innovation.“ Europäische Kollaboration und die Kommunikation über das eigene Tun seien wichtige weitere Schritte für öffentlich-rechtliche Medien.
„Es geht in der Diskussion um KI um Verantwortung“, betont Carina Zehetmaier von Women in AI Austria. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass „wir amerikanische Modelle verwenden und das bildet sich auch in der Wertesicht ab. Es müssen aber auch europäische Werte eingebracht werden.“ Hierfür müsse man sich zunächst der Vorurteile bewusst werden, die KI-Systeme in die Content-Entwicklung einfließen lassen würden. „Zentraler Faktor ist die Qualität und die größte Herausforderung zwischen Falsch und Wahr zu unterscheiden“ schließt die Expertin.
Im Rahmen der Diskussionsveranstaltung wurden auch konkrete KI-Projekte europäischer Broadcaster mit öffentlich-rechtlichem Charakter vorgestellt: die „European Perspective“, eine digitale Nachrichteninitiative, die qualitativ hochwertigen Journalismus über nationale Grenzen hinweg anbietet, der „Public Service Incubator“, ein digitaler Sammlungsraum für technologische Innovationen, und der „ORF-AiDitor“, ein KI-basiertes Support-Tool für die Redaktionsarbeit, das im ORF bereits Anwendung findet.
Moderiert wurde das ORF-DialogForum von Klaus Unterberger, dem Leiter des Public-Value-Kompetenzzentrums des ORF. Das ORF-DialogForum ist eine Initiative des ORF, um das Gespräch mit seinem Publikum, den österreichischen Institutionen, den Organisationen und Gruppen der Gesellschaft zu beleben.
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