Weiterbetrieb von Frankreichs alten AKW ist gefährlich und unheimlich teuer
Über 100 Mrd. Euro sollen in veraltete Reaktoren gesteckt werden – Geld, das bei der Energiewende fehlen wird
Aktuell sind die französischen Atomkraftwerke international im Fokus. 32 der 56 Reaktoren in Frankreich gehören zum 900-MW-Designtyp. Diese Reaktoren wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren erbaut und sind bereits von erheblichen Alterserscheinungen betroffen. In Frankreich gibt es keine streng definierte Laufzeitbeschränkung der Atomreaktoren, wie in vielen anderen Staaten. Allerdings wird alle zehn Jahre eine Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) durchgeführt, bei der die Sicherheitsauflagen angepasst werden. „Dennoch muss man sich bewusst sein, dass ein alter Reaktor nicht die Sicherheitsstandards eines neuen AKW erreichen kann. Viele neue Sicherheitssysteme können in alte Reaktoren nicht integriert werden. Daher könnte kein Reaktor der vor über 30 Jahren errichtet wurde, die heutigen Standards für eine Neubewilligung erfüllen,“ erklärt Jürgen Czernohorszky, Wiener Stadtrat und Vorsitzender der Städtevereinigung „Cities for a Nuclear Free Europe“ (CNFE).
PROGNOSTIZIERTE KOSTEN FÜR DIE INSTANDSETZUNG STEIGEN AUF ÜBER 100 MRD. EURO
Ursprünglich waren in Frankreichs Budget 50 Mrd. Euro für die Instandsetzung aller 900 MW-Reaktoren eingeplant. Allerdings kam eine Untersuchung des französischen Rechnungshofes zu der Erkenntnis, dass die antizipierten Kosten als zu gering zu bewerten sind. Laut dem Rechnungshof musste die Summe auf 100 Mrd. Euro aufgestockt werden. „Im Nuklearsektor sind die Kosten nachträglich immer wesentlich höher, als ursprünglich gedacht. Daher bleibt abzuwarten, ob es bei den 100 Mrd. Euro bleibt,“ so Wiens Umweltanwältin Tichelmann. Stadtrat Czernohorszky fügt hinzu: „Atomkraft ist die teuerste eingesetzte Energieform. Im Kampf gegen den Klimawandel sind Investitionen im Nuklearbereich katastrophal, da finanzielle Mittel gebunden werden, die an anderer Stelle wesentlich sinnvoller verwendet werden können.“
WIEN BETEILIGT SICH AN DER PERIODISCHEN SICHERHEITSÜBERPRÜFUNG
Da es sich um so viele AKW desselben Bautyps handelt (32) wird im Zuge der Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) vorab eine generische Überprüfung aller Anlagen gemeinsam durchgeführt. Erst im nächsten Schritt werden spezifische Aspekte an den jeweiligen AKW individuell überprüft. Es wurde auch eine Konsultationsphase eingeleitet. Die Wiener Umweltanwaltschaft hat als Atomschutzbeauftragte von Wien hier eine Stellungnahme eingereicht. Besonders wurde auf die Gefahr der Alterung von Komponenten hingewiesen, die sich auf der Primärseite des Reaktors befinden und nicht ausgetauscht werden können. Darüber hinaus wurde auf die Sicherheit des „Spent Fuel Pools“ (SFP) eingegangen, jener Ort, an dem abgebrannte Reaktorkerne am Gelände der Anlage gelagert werden. Obwohl hier ein beträchtliches Sicherheitsrisiko vorhanden ist, wird dieses Thema im Zuge der Untersuchung nicht beachtet.
REFERENDUM FÜR NEUES AKW IN SLOWENIEN ABGESAGT – DÄMPFER FÜR NUKLEARINDUSTRIE
Veraltete Reaktoren sind auch in Österreichs Nachbarland Slowenien aktuell ein Thema. Slowenien betreibt ein Nuklearkraftwerk am Standort Krško. Der Reaktor ist bereits 41 Jahre in Betrieb und inzwischen deutlich in die Jahre gekommen. Slowenien überlegt daher seit Längerem, einen neuen Reaktor zu errichten. Weil Nuklearkraft auch in Slowenien ein kontroverses Thema darstellt, wurde für Ende November eine Volksabstimmung über das Projekt angesetzt. Im Vorfeld der Abstimmung kam es jedoch zu mehreren Unstimmigkeiten. Schlussendlich sah sich das slowenische Parlament gezwungen, das Referendum komplett abzusagen. „Die Entscheidung des slowenischen Parlaments war unumgänglich, da die Bevölkerung nicht umfassend informiert wurde. Es ist bis dato nicht klar, welcher Reaktortyp gebaut werden soll, oder wie dieser genau finanziert wird. Auch über die Bauzeit gibt es nur ungefähre Angaben,“ so Stadtrat Czernohorszky. Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann ergänzt: „Über mögliche Unfallszenarien und was diese für die Bevölkerung bedeuten, wird quasi nicht gesprochen.“
Michaela Zlamal
Mediensprecherin StR Jürgen Czernohorszky
Telefon: +43 1 4000 81446
E-Mail: michaela.zlamal@wien.gv.at
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