„Festung der Freiheit“? Ein Widerspruch in sich

Memorandum der Senatsvorsitzenden der Kunstuniversitäten in Österreich

Aus gegebenem Anlass möchten die Senatsvorsitzenden der Kunstuniversitäten an die Grundsätze und Aufgaben erinnern, die im Universitätsgesetz (UG 2002) klar und verbindlich definiert werden:

_„Die Universitäten sind berufen, der wissenschaftlichen Forschung und Lehre, der Entwicklung und der Erschließung der Künste sowie der Lehre der Kunst zu dienen und hierdurch auch verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen. […] Im gemeinsamen Wirken von Lehrenden und Studierenden wird in einer aufgeklärten Wissensgesellschaft das Streben nach Bildung und Autonomie des Individuums durch Wissenschaft vollzogen…“_ (UG 2002 (§ 1))

Damit diese Ziele erreicht werden können, bedarf es eines förderlichen politischen Rahmens. Allerdings besteht um dessen Fortbestehen angesichts einer voraussichtlichen Bundesregierung unter Führung der FPÖ in mehrfacher Hinsicht Grund zur Sorge:

Nicht nur eine negative politische Einflussnahme auf die Freiheit und Diversität wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung, Methoden und Erkenntnisse ist zu befürchten. Da sich politische Verantwortungsträger_innen zunehmend durch besondere Wissenschafts- und Kunstfeindlichkeit sowie durch wissenschaftlich widerlegbare und bewusst polemische Behauptungen positionieren, untergraben sie einen auf sachlich-rationaler Argumentation und Evidenz basierten öffentlichen Diskurs im Sinne „einer aufgeklärten Wissensgesellschaft“ und tragen damit auch zur Delegitimierung der Universitäten und ihres gesellschaftlichen Auftrags bei.

Eine für universitäre Zugangsbeschränkungen eintretende, Frauen und Minderheiten benachteiligende Politik sowie kulturelle (fremdenfeindliche und rassistische) Ausgrenzung lehnen wir mit Nachdruck ab. Formen der Diskriminierung, wie sie aus jüngsten Forderungen nach „Remigration“ und einer „Festung Österreich“, nach einem „Recht auf leistungsorientierte Bildung“, nach dem Ende eines vermeintlichen „Genderwahns“ oder nach einer nationalen „Leitkultur“ folgen, können aus unserer Sicht weder ein konstruktiver Beitrag zur Förderung „der wissenschaftlichen Forschung und Lehre“ und der „Entwicklung und Erschließung der Künste“ noch zur „Lösung der Probleme des Menschen“ sein.

Als Universitäten bekennen wir uns dazu, dass das Gedeihen der Wissenschaften und Künste auf einer offenen Gesellschaftsform basiert, für die die Ablehnung jeglicher nationalistischen Vereinnahmung von Wissenschaft, Kunst oder Kultur sowie die Wertschätzung und Förderung von sozialer, geschlechtlicher und kultureller Diversität in allen Bereichen konstitutiv sind.

Nicht zuletzt fordert das UG, dass die Universitäten als freie Forschungs- und Bildungseinrichtungen „zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft“ sowie „der natürlichen Umwelt“ beitragen sollen. Auch in diesem Punkt sind in der jüngsten Vergangenheit die aktuell in Koalitionsverhandlungen stehenden politischen Verantwortungsträger_innen durch irritierende Äußerungen und Positionen aufgefallen – wenn etwa wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse bezüglich des globalen Klimawandels und deren öffentliche Diskussion als „Wahn“ oder als „Diktatur“ von Meinungen dementiert wurden. Da die gegenwärtigen und künftigen ökologischen Herausforderungen allerdings nur zu bewältigen sind, indem die Gefahren wissenschaftlich belegter Veränderungen von Umwelt und Klima nicht ignoriert, sondern im Gegenteil verstärkt beforscht und Lösungsansätze für sie zur Diskussion gestellt werden, fordern wir von einer künftigen Regierung die Anerkennung und Förderung des Beitrags, den die Universitäten dazu im Sinne des UG leisten.

Es liegt an der Bundesregierung, die politischen Rahmenbedingungen für wissenschaftliche und künstlerische Forschung und Lehre an den österreichischen Universitäten vorzugeben und diese bestmöglich zu fördern.

Das Universitätsgesetz formuliert klar, worin deren gesellschaftlichen Ziele und Aufgaben bestehen. In vielfachem und deutlichem Gegensatz dazu drohen (insbesondere) rechtsextreme Positionen, die derzeit in Koalitionsverhandlungen für eine neue österreichische Regierung zu Debatte stehen, die gesellschaftlichen Grundlagen der universitären Forschung und Lehre und damit den kritischen und vernunftbasierten öffentlichen Diskurs künftig zu beschränken.

Wir stellen uns daher geschlossen und in aller Deutlichkeit gegen rechtsextreme Positionen und deren mögliche Regierungsbeteiligung. Eine populistische und rassistische Hetze spaltet – unsere Zukunft jedoch baut auf Zusammenhalt, Teilhabe und Solidarität sowie auf einem offenen, konstruktiven und kritischen Diskurs, zu dem wir als Universitäten einen wesentlichen Beitrag leisten.

Die Senatsvorsitzenden der österreichischen Kunstuniversitäten warnen vor der Preisgabe und Unterwanderung dieser demokratischen Grundsätze und fordern die kommende Bundesregierung dazu auf, diese zu respektieren.
Unterzeichnet von den Senatsvorsitzenden der österreichischen Kunstuniversitäten:

Akademie der bildenden Künste Wien
Astrid Exner
Telefon: +43 664 80887 1302
E-Mail: a.exner@akbild.ac.at
Website: https://www.akbild.ac.at

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