Wettlauf um die Zukunft: Was Österreichs Life Sciences jetzt dringend benötigen

Expertinnen und Experten fordern entschlossenes politisches Handeln, gezielte Investitionen und bessere Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Life-Sciences-Standort.

Globale Krisen, geopolitische Unsicherheiten und strategische Abhängigkeiten setzen den Life-Sciences-Standort Österreich massiv unter Druck. In den vergangenen 20 Jahren ist der europäische Anteil an globalen F&E-Investitionen um 25 Prozent gesunken, und der Anteil an klinischen Studien zur Arzneimittelentwicklung ist von 22 auf 14 Prozent zurückgegangen. Auch Österreich ist davon betroffen und droht weiter zurückzufallen. Vor diesem Hintergrund diskutierten Anfang Dezember im Kelsen-Saal des Parlaments führende Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie über die Zukunft der Life Sciences in Österreich.

Im Mittelpunkt der von Sara Grasel, Chefredakteurin von Selektiv, moderierten Veranstaltung standen die neue EU-Life-Sciences-Strategie und die geplante österreichische Pharmastrategie. Politikberater Thomas Hofer betonte in seinem Impuls-Statement, dass die politische Kommunikation derzeit stark von Emotionen geprägt sei. Das erschwere notwendige Reformen wie im Bereich der Life Sciences: „Wir leben in einer Zeit der Emokratie. Das bedeutet, dass Emotionen die politische Kommunikation dominieren und sie von Zahlen, Daten und Fakten entkoppeln. Für einen innovationsgetriebenen Sektor, wie die Life Sciences, ist das besonders problematisch, da Fortschritt und Investitionen auf Vertrauen in Wissenschaft und auf langfristige Strategien angewiesen sind.“ Das öffne Falschmeldungen sowie dem Schüren von Ängsten Tür und Tor. „Die Herausforderung für die Politik liegt nun unter anderem darin, den Mut zu haben, positive Visionen zu kommunizieren und den Fortschritt aktiv zu gestalten“, so Hofer.

Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft, sieht dringenden Handlungsbedarf und nennt das fehlende Risikokapital als eine der größten Hürden: „Der Gesundheitssektor ist ein zentraler Hebel für den Wirtschaftsstandort Österreich, gerade in Zeiten globaler Unsicherheit. Wir stehen unter massivem Innovationsdruck, während wir Gefahr laufen, zwischen den Supermächten USA und China marginalisiert zu werden.“ Kapitalmärkte spielten dabei eine entscheidende Rolle, doch in Europa fehle privates Risikokapital, „das in den USA und in Ländern mit starker Life-Sciences-Industrie selbstverständlich ist, wie etwa in der Schweiz und in Dänemark“. Die Folge: „Start-ups wandern ab, sobald sie eine gewisse Größe erreichen, weil ihnen hier die Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Wenn wir diese Lücke nicht schließen, verlieren wir nicht nur Unternehmen, sondern auch Know-how und Wertschöpfung“, so Rosen. Ihr Appell: „Wir brauchen eine Kultur, die Innovation ermöglicht und nicht vorschreibt, und zwar durch attraktive Rahmenbedingungen und Zugang zu Kapital. Denn in Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Förderungen sind wir zunehmend auf privates Kapital angewiesen.“

Josef Penninger, Genetiker und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), unterstrich ebenfalls die Bedeutung langfristiger Strategien. Nach Stationen in Nordamerika und anderen Ländern forscht er bis heute im Ausland und kritisiert die bei uns fehlende Risikobereitschaft: „Österreich hat exzellente Köpfe und Ideen, aber wir trauen uns zu wenig. Es fehlt schlicht der Mut, groß zu denken. In den USA wird eine gute Idee sofort finanziert, in Europa muss man sich durch endlose Formalitäten kämpfen. Das bremst Innovation.“ Auch beim Kapital sieht Penninger Nachholbedarf. Denn in den USA investieren Pensionsfonds und große Versicherungen Milliarden in Forschung und Biotechnologie, weil sie langfristig denken. In Europa seien laut Penninger die Summen verschwindend gering: „Wenn wir den Standort stärken wollen, müssen wir diese Strukturen ändern und Forschung als Investition in die Zukunft begreifen. Forschung sollte nicht als Kostenfaktor gesehen werden, sondern vielmehr als Motor für wirtschaftliches Wachstum. Werden all diese Rahmenbedingungen nicht langfristig gesichert, bleiben auch keine Talente im Land, die mit ihrer Forschung weltweit Maßstäbe setzen.“

Pavol Dobrocky, Präsident der PHARMIG und Geschäftsführer von Boehringer Ingelheim RCV, betonte, wie wichtig die richtigen Rahmenbedingungen sind, damit pharmazeutische Unternehmen bei der globalen Suche nach neuen Standorten auch Österreich in Betracht ziehen: „China hat die Life Sciences als Schlüsselpriorität festgelegt und stellt enorme Mengen an Venture Capital bereit. Damit steht Risikokapital, speziell für innovative, wachstumsorientierte Unternehmen zur Verfügung.“ Anreize dieser Art seien entscheidend. „Österreich verfügt über großes Potenzial in Forschung und Produktion, mit einer starken Wissenschaftslandschaft und attraktiven Standortbedingungen. Es muss sich aber im internationalen Wettbewerb behaupten. Dafür brauchen wir eine Life-Sciences-Strategie, die gezielt Forschung, Produktion und Marktzugang fördert. Nur mit mutigen Reformen, effizienteren Strukturen und attraktiven Rahmenbedingungen können wir wettbewerbsfähig bleiben, innovative Therapien in die Versorgung bringen und unseren Anteil am Weltmarkt sichern“, so Dobrocky.

Eine nationale Life-Sciences-Strategie dürfe keinesfalls isoliert gedacht werden, betonte Matthias Heck, Senior Advisor beim europäischen Verband der pharmazeutischen Industrie für innovative und spezialisierte Therapien (EUCOPE), und plädierte für einen ganzheitlichen Ansatz: „Europa hat mit der neuen Life-Sciences-Strategie einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht. Die Life Sciences sind eine strategisch wichtige Branche, sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch.“ Ziel einer solchen Strategie sei es laut Heck nicht, der Industrie Gefälligkeiten zu erweisen, „sondern Innovationskraft zu stärken und die Zukunft unserer Sozialsysteme zu sichern.“ Deshalb müsse eine nationale Life-Sciences-Strategie stets eng mit der europäischen Strategie abgestimmt werden. „Ein echter Wandel kann nur gelingen, wenn alle Akteure gemeinsam und ganzheitlich denken und handeln. Dafür sind Vertrauen sowie konkrete, messbare Maßnahmen unerlässlich. Ebenso wichtig ist, dass die Strategie kontinuierlich begleitet und weiterentwickelt wird“, so Heck. Als Best-Practice-Beispiel führte er Dänemark an, wo der Life Sciences Council dauerhaft alle relevanten Akteure wie Regulatoren, Industrie und Ärzteschaft einbindet. Dieses Modell könne auch für andere Länder als Vorbild dienen, um nachhaltigen Erfolg im Life-Sciences-Sektor zu sichern.

Über die PHARMIG: Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand Dezember 2025), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt

PHARMIG – Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs
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