Kurz bekräftigt Nein zur Aufnahme von Kindern aus Moria

Aktuelle Europastunde im Nationalrat zu Flüchtlings- und Asylpolitik

Wien (PK) – Österreich wird keine Kinder aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria aufnehmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz bekräftigte heute in einer Aktuellen Europastunde des Nationalrats einmal mehr seine ablehnende Haltung in dieser Frage und sprach sich vielmehr für Hilfe vor Ort aus. Österreich liege bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa an dritter Stelle und habe mehr getan als die Masse aller anderen Staaten, betonte er im Einklang mit den Abgeordneten der ÖVP.

Kurz reagierte damit auf entsprechende Forderungen der NEOS, die mit der Auswahl des Titels der Europastunde „Unterstützen Sie ein europäisches Asylsystem und retten Sie die Kinder aus Moria, Herr Bundeskanzler!“ ihren Standpunkt absteckten. Ihrem Appell zu Humanität und Solidarität schlossen sich auch SPÖ und Grüne an, wobei Letztere im Zusammenhang mit der Aufnahme von Kinder aus Moria von einem Dissens in der Koalition sprachen. Gegen die Aufnahme von Kindern aus Moria wandte sich die FPÖ, die vor entsprechenden Pull-Effekten warnte und hingegen auf einen effektiven Schutz der EU-Außengrenzen pochte.

Kurz will vor Ort helfen

Trotz der angesichts des Leidens von Moria zu Recht bestehenden Emotionen sei es legitim, einen sachlichen Zugang zu dieser Frage zu suchen, schickte Sebastian Kurz voraus. Österreich könne nicht alle Menschen aufnehmen. „Wir wollen aber helfen“, bekräftigte der Bundeskanzler und betonte, die richtige Hilfe sei die Hilfe vor Ort. In diesem Sinn habe Österreich als eines der ersten Länder Hilfsgüter nach Griechenland geliefert.

Zum Vorwurf der mangelnden Solidarität gab Kurz zu bedenken, Österreich habe in den letzten fünf Jahren mehr als 200.000 Menschen aufgenommen und allein in diesem Jahr bereits für 3.700 Kinder positive Bescheide ausgestellt. Was die Verteilung auf europäischer Ebene betrifft, erinnerte der Kanzler, 17 von 27 EU-Mitgliedstaaten würden sich an der von Deutschland propagierten Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria nicht beteiligen. Darunter seien auch sozialdemokratisch regierte Länder wie Schweden oder Spanien. Er unterstütze grundsätzlich einen europäischen Weg in der Flüchtlings-und Asylfrage, sei aber gegen eine Politik, durch die Menschen unter falschen Vorstellungen nach Europa angelockt werden und Schlepper profitieren, stellte Kurz klar.

NEOS für Asylpolitik auf Basis europäischer Werte

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger warf Kurz vor, mit seiner Haltung die Menschen in Moria als Abschreckung für potentielle weitere Flüchtlinge einzusetzen. Sie sprach von schrecklichen Bildern aus Moria und meinte, so dürfe Europa nicht aussehen. Die Bestrebungen der EU in Richtung einer gemeinsamen Asylpolitik seien an der Blockade durch den Bundeskanzler gescheitert, steht für Meinl-Reisinger fest. Dabei sei der Ruf nach einer solidarischen Verteilung der Flüchtlinge keine „links-linke“-Forderung, sondern komme aus der Mitte der Gesellschaft, bemerkte sie an die Adresse der ÖVP gerichtet. Auch Europaabgeordnete Claudia Gamon (NEOS) plädierte ebenso wie Helmut Brandstätter (NEOS) für ein europäisches Migrations- und Asylsystem auf Basis der europäischen Werte wie Solidarität und Humanität, gelte es doch, dafür zu sorgen, Flüchtlingslager wie Moria in Zukunft zu verhindern. Kurz gehe es darum, das Chaos in den Lagern für Angstmache zu nützen. Der Kanzler ignoriere mit seiner Weigerung die Appelle der Zivilgesellschaft und aller Menschen, die helfen wollen, lautete der kritische Befund von Stephanie Krisper (NEOS).

ÖVP gegen kurzfristige Symbolpolitik

Für Reinhold Lopatka (ÖVP) ist Hilfe vor Ort Ausdruck christlich-sozialer Politik. Wenn 16 EU-Mitgliedstaaten in der Frage der Flüchtlinge von Moria den Weg Österreichs gewählt haben, könne man nicht von einer Blockade durch die Bundesregierung sprechen. Auch würden sieben von neun Landeshauptleuten, darunter auch Hans-Peter Doskozil, die Linie von Kanzler Kurz unterstützen. Das Ziel sollte nicht kurzfristige Symbolpolitik, sondern Hilfe vor Ort, die Schaffung von menschenwürdigen Verhältnissen in den Herkunftsländern, aber auch ein möglichst wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen sein, betonte auch Lopatkas Fraktionskollege Karl Mahrer. EU-Abgeordnete Angelika Winzig (ÖVP) wiederum mahnte, man müsse die Lehren aus dem Jahr 2015 ziehen, eine Überforderung Österreichs wie damals dürfe nicht mehr passieren.

SPÖ für Aufnahme von Kindern als humanitärer Beitrag

Moria mache ein Versagen Europas in der Flüchtlingspolitik deutlich, konstatierte SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner, die auch Versäumnisse bei der Bundesregierung ortete und an Kurz appellierte, nun einen humanitären Beitrag zu leisten und die Schwächsten der Schwachen zu unterstützen. Sie erinnerte den Kanzler überdies an dessen Gespräche mit Holocaust-Überlebenden in Israel und bemerkte, hätten sich alle 1939 so verhalten wie viele heute in Europa, dann hätte Kurz diese Gespräche nicht führen können. Stehsätze wie „Wir können nicht alle aufnehmen“ seien ein Armutszeugnis und würden in der konkreten Situation nicht helfen, kritisierte Harald Troch (SPÖ), der der Ablehnung des Kanzlers die Ankündigung von Wiens Bürgermeister Ludwig gegenüberstellte, 100 Kinder aus Moria aufzunehmen. EP-Mitglied Günther Sidl (SPÖ) beklagte in der Asylfrage einen Rückfall in Kleinstaaterei auf europäischer Ebene, bei dem Österreich „ganz vorne“ dabei sei. Als zynisch bezeichnete er es, nach einer europäischen Antwort zu rufen, diese aber gleichzeitig „durch die Hintertür“ zu torpedieren.

Grüne bestätigen in der Flüchtlingsfrage koalitionsinternen Dissens

Seine Fraktion sei eindeutig dafür, Kinder aus Moria zu retten, unterstrich Michel Reimon (Grüne), der in dieser Frage von einem Dissens in der Koalition sprach. Das Argument des Bundeskanzlers, man könne nicht alle aufnehmen, ließ er dabei nicht gelten. „Wenn wir nur 100 retten können, dann retten wir eben nur 100“, gab er zu bedenken. Die Grünen würden im Parlament um eine Mehrheit für die Aufnahme von Flüchtlingen kämpfen, kündigte Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) an. Moria sei eine Bankrotterklärung an die Menschlichkeit und gehöre evakuiert, betonte sie. Die EU müsse ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen und das Grundrecht auf Asyl sicherstellen, dazu brauche es legale Einwanderungsmöglichkeiten und faire Verfahren, stellte EU-Abgeordnete Monika Vana (Grüne) klar. Ein europäischer Migrationspakt und eine gemeinsame solidarische Asylpolitik sind für sie längst fällige Schritte.

FPÖ gegen Aufnahme von Flüchtlingen und für Schutz der EU-Außengrenzen

Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria würde ein fatales Zeichen aussenden und dazu führen, dass sich zahlreiche Menschen auf den Weg nach Europa machen, warnte der freiheitliche EU-Abgeordnete Georg Mayer. Ein richtiges Signal wäre hingegen der Schutz der EU-Außengrenzen. Auch Petra Steger (FPÖ) sprach von einem drohenden Pull-Effekt als Folge der Aufnahme von Kindern aus Moria und meinte zudem, gerade vor dem Hintergrund der schlimmsten Gesundheits- und Wirtschaftskrise wäre es unverantwortlich, Österreich zusätzlich zu belasten. „Solange es auch nur ein armutsgefährdetes Kind in Österreich gibt, dürfen wir kein Steuergeld ins Ausland schicken und brauchen auch keine Zuwanderung“, brachte Stegers Fraktionskollege Michael Schnedlitz die ablehnende Haltung der FPÖ auf den Punkt. (Fortsetzung Nationalrat) hof

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