Edtstadler will bundesweites Informationsrecht in dieser Legislaturperiode

Fragestunde mit Verfassungsministerin im Nationalrat

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler betonte in der Fragestunde der heutigen Nationalratssitzung, sie sehe die Finalisierung des Vorschlags für ein Informationsfreiheitsgesetz noch in der laufenden Legislaturperiode. Damit die Aufhebung des Amtsgeheimnisses auf allen Ebenen greife, gelte es jedoch, wichtige Detailfragen zu klären. Keinesfalls dürfe die Verwaltung in ihrer Arbeit behindert werden, verwies sie auf den damit verbundenen Paradigmenwechsel.

SPÖ und NEOS sprachen sich im Sinne von Transparenz, Pressefreiheit, Bürger:innen- und Menschenrechten für eine rasche Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes aus, zumal andere europäische Staaten das Amtsgeheimnis schon längst abgeschafft hätten. Demnach sollte es ein bundesweit einheitliches Recht auf Informationszugang geben, das alle staatlichen Stellen umfasst. Weitere Themen der Aussprache mit den Abgeordneten waren Österreichs Rolle im Ukraine-Krieg, Maßnahmen gegen Antisemitismus, das Vorgehen gegen Korruption und die Migrationsstrategie der EU.

AMTSGEHEIMNIS STEHT VOR DEM FALL

Von Jörg Leichtfried (SPÖ) und Johannes Margreiter (NEOS) auf die Fortschritte bei den Arbeiten am angepeilten Informationsfreiheitsgesetz angesprochen, meinte Verfassungsministerin Edtstadler, seit sie dafür zuständig sei, habe sie sich klar für diesen „Paradigmenwechsel“ ausgesprochen, der dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung im 21. Jahrhundert entspreche. Es gelte nun, gemeinsam mit allen Stakeholdern anwendbare Regelungen zu entwerfen, referenzierte sie vor allem auf Bedenken einzelner Bundesländer. Der aktuelle Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz sei vor mehr als einem Jahr in Begutachtung geschickt worden, rekapitulierte Edtstadler, „mehr als 100 Stellungnahmen“ seien dazu eingegangen und etliche Gespräche zur Veröffentlichungspflicht geführt worden, nicht nur mit Bürger:innen, Ländern, und Gemeinden, sondern auch mit der Wirtschaftskammer und mit NGOs. Bedenken auf Länder- und Gemeindeebene beträfen vor allem eine geminderte Handlungsfähigkeit der Verwaltung, erklärte die Ministerin. Man müsse deswegen klar vermitteln, welchen Umfang die Informationspflicht habe. Margreiter hatte in diesem Zusammenhang eine Konkretisierung der Gründe verlangt, die von Vertreter:innen aus Ländern und Gemeinden gegen die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgebracht werden.

Im Korruptionsstrafrecht gebe es noch Lücken zu schließen, war sich Edtstadler einig im Selma Yildirim (SPÖ). Die Verhandlungen darüber sind der Ministerin zufolge im Gange und „sehr weit fortgeschritten“. Ein Knackpunkt sei, bestimmte Sachverhalte strafbar zu machen, ohne politisches Handeln zu verunmöglichen. Als Beispiel für ein strittiges Detail nannte die Ministerin den sogenannten Mandatskauf, der nicht mit der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zu einer Partei gleichgesetzt werden solle. Erschüttert zeigte sich die Verfassungsjuristin über die aktuellen Korruptionsvorwürfe gegen die – mittlerweile abgesetzte – Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili. Das Vertrauen in die Institutionen könne dadurch nachhaltigen Schaden nehmen.

UKRAINE: EDTSTADLER UNTERSTREICHT NOTWENDIGKEIT DER HILFEN

Die jüngste Einigung auf EU-Ebene über die Makrofinanzhilfe von 18 Mrd. € an die Ukraine begrüßte Edtstadler ausdrücklich. Die Dringlichkeit der Hilfen veranschaulichte sie mit Eindrücken aus ihrem eigenen Besuch in Kiew, laut Edtstadler die „wichtigste Reise“ ihrer Amtszeit. Die Ukrainer:innen bräuchten grundlegende Unterstützung, um ihnen das Überleben unter „widrigsten Umständen“ zu ermöglichen. Die Infrastruktur der Ukraine müsse wieder aufgebaut werden, unterstrich Edtstadler, auch während des andauernden Angriffkriegs Russlands, sodass die Menschen in der Ukraine nicht „verhungern und erfrieren“. Die Einhaltung der Vorgaben für die EU-Kredite werde natürlich kontrolliert, „jeder Cent wird dort ankommen, wo er gebraucht wird“. Dennoch seien die Hilfen keineswegs ausreichend, warb die Ministerin für zusätzliche Sammelaktionen für die Ukraine. Humanitäre Hilfe und Neutralität stünden keineswegs im Widerspruch.

Petra Steger (FPÖ) hatte Österreichs Zustimmung zu EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe an die Ukraine kritisiert und Edtstadler vorgeworfen, dadurch ihr Versprechen, keine weiteren Schuldenaufnahmen auf EU-Ebene billigen zu wollen, zu brechen. Zudem drehe sich damit die „Eskalationsspirale“ weiter, mahnte Steger.

PRÄVENTION GEGEN ANTISEMITISMUS IN JEDER FORM

Das Vorgehen gegen Antisemitismus in jeder Form bezeichnete Ministerin Edtstadler als Ausdruck der geschichtlichen Verantwortung Österreichs. Aus diesem Grund sei vor bald zwei Jahren die Nationale Strategie gegen Antisemitismus mit 38 Maßnahmen vor allem im Bildungsbereich ins Leben gerufen worden. Mittlerweile gebe es zwar einen Rückgang an antisemitischen Vorfällen, so Edtstadler, doch wollte sie dies nicht als „Grund zum Jubeln“ werten: Jeder Vorfall sei einer zu viel. Meinungsfreiheit ende eindeutig dort, wo die Rechte anderer verletzt würden. In diesem Zusammenhang bezeichnete sie eine vor kurzem publizierte antisemitische Karikatur der Zeitschrift Exxpress als „geschmacklos und absolut abzulehnen“. Die von Martin Engelberg (ÖVP) angesprochene Reform des Verbotsgesetzes ist laut Edtstadler ein Teil der Strategie gegen Antisemitismus. Zur besseren Anwendbarkeit sollte unter anderem die inländische Gerichtsbarkeit auch für antisemitische Angriffe im Internet als zuständig definiert werden. Generell brauche es eine genauere Definition von Verstößen gegen das Verbotsgesetz, verwies sie auf diesbezügliche Vorfälle im Rahmen der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen.

Vor allem für jugendliche Täter:innen sprach sich Edtstadler dafür aus, bei Verfahren nach dem Verbotsgesetz die Möglichkeit einer Diversion in Verbindung mit verpflichtenden Bildungsprogrammen über den Holocaust zu institutionalisieren. Handlungsbedarf gebe es zudem unabhängig von einer strafrechtlichen Verfolgung bei der Ahndung des privaten Besitzes von NS-Devotionalien. Anfang nächsten Jahres wolle sie überdies dem Parlament einen Vorschlag zur Aberkennung von Ehrenzeichen vorlegen, informierte die Ministerin auf Nachfrage von Agnes Sirkka Prammer (Grüne), und bezog sich dabei auf die posthume Rücknahme dieser staatlichen Würdigung bei NS-Mitgliedern.

MIGRATION: EDTSTADLER POCHT AUF EFFEKTIVEN EU-GRENZSCHUTZ

Auf EU-Ebene gebe es bislang keine effiziente Lösung im Kampf gegen illegale Migration, Schlepperei und Menschenhandel, stellte Ernst Gödl (ÖVP) fest und knüpfte an diesen Befund eine Frage an die Ministerin: „Was braucht es für einen effektiven Grenzschutz?“. Verfassungsministerin Edstadler bestätigte, dass das EU-Asylsystem gescheitert sei. Sie sieht die Zeit gekommen für „wichtige“ Weichenstellungen wie die Beschleunigung von Verfahren an der EU-Außengrenze, inklusive einer finanziellen Unterstützung der mit diesem Grenzschutz befassten Mitgliedstaaten. Ebenso müssten die Rückführungsbestimmungen bei den EU-Regelungen zur Durchführung eines Asylverfahrens in der Union überarbeitet werden, denn „das Dublin-III-System ist tot“. Vor diesem Hintergrund ist Edtstadler zufolge Österreichs derzeitiges Veto gegen die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengenraum legitim. Immerhin habe diese Haltung bereits zu einem EU-Aktionsplan gegen illegale Migration über den Westbalkan geführt.

„Urteile von Höchstgerichten sind natürlich umzusetzen“, sagte Edtstadler in Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Migrationsfragen. Allerdings fügte sie an, dass die Europäische Menschenrechtskonvention aus 1950 permanent auf ihre „Realitätsnähe“ geprüft werden müsse. Sie hob dabei die Bedeutung von Einzelfallprüfungen durch den EGMR hervor, um die „Situation am Boden“ im Auge zu behalten. Grundrechte hätten wiederum gemäß EGMR für alle Menschen gleiche Gültigkeit, erwiderte Edstadler einen FPÖ-Vorstoß für eine restriktivere Auslegung der Grundrechte bei Asylant:innen. (Fortsetzung Nationalrat) rei

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