Aktuelle Stunde im Bundesrat: Totschnig setzt auf umweltgerechte Agrarpolitik
SPÖ, FPÖ und NEOS problematisieren Hofsterben
Die letzte Bundesratssitzung des Jahres startete mit einer Aktuellen Stunde zum Thema „Maßnahmen für unsere bäuerlichen Familienbetriebe und unsere Regionen“. Laut dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Norbert Totschnig werde auf eine ökonomisch leistungsfähige, umweltgerechte, nachhaltige Agrarpolitik gesetzt. Er meinte, Österreich habe die klimafreundlichste landwirtschaftliche Produktion in Europa.
Die Bundesrät:innen erörterten vor dem Hintergrund des Klimawandels die vielfältigen Herausforderungen in der Landwirtschaft. SPÖ, FPÖ und NEOS zeigten sich insbesondere über das Hofsterben in Österreich besorgt.
MASSNAHMEN DES LANDWIRTSCHAFTSRESSORTS MIT FOKUS AUF NACHHALTIGKEIT
Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich sei „einzigartig“, stellte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig seinem Redebeitrag voran. Die kleinstrukturierten bäuerlichen Familienbetriebe würden hierzulande nachhaltig, umweltgerecht und höchstwertig die Lebensmittelversorgung sicherstellen und in der Bevölkerung höchste Wertschätzung genießen. Seine Ressortarbeit orientierte sich an der ökosozialen Marktwirtschaft mit Fokus auf eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft und vitale ländliche Räume, sagte er. Gesetzt werde auf eine ökonomisch leistungsfähige, umweltgerechte, nachhaltige Agrarpolitik, immerhin habe Österreich die klimafreundlichste landwirtschaftliche Produktion in Europa. Außerdem werde Wohlstand gesichert und die Landwirt:innen nirgendwo so unterstützt wie in Österreich, meinte der Minister. Auch in der Corona-Krise sei es gelungen, die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Er ging auf vielfältige Maßnahmen und budgetäre Schwerpunktsetzungen ein, welche die Bundesregierung zur Stärkung bäuerlicher Familien und der Regionen gesetzt habe. Pünktliche Auszahlungen seien ein wichtiges Signal hinsichtlich Planbarkeit und Sicherheit für die Betriebe. Auch auf EU-Ebene sei es gelungen, agrarpolitische Ziele durchzusetzen, die für Österreich wichtig sind, sagte Totschnig. So wertete er den kürzlichen Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes als Zeichen „guter Politik“. Gegen das Freihandelsabkommen Mercosur habe er sich klar positioniert. Der Weg für die Regionen soll mit dem Strategieprozess „Vision 2028+“ weitergegangen werden und die Bundesregierung werde alles tun, um eine positive Zukunft sowie Chancengleichheit in Stadt und Land für die heimische Land- und Forstwirtschaft zu ermöglichen, sagte Totschnig.
Während die Zahl der Junglandwirt:innen auf EU-Ebene rückläufig ist, sei das in Österreich nicht der Fall, lobte Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) die in diesem Zusammenhang getätigten Unterstützungsmaßnahmen des Ministers und die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP). Sie komme der Gesellschaft, den Bäuer:innen sowie der Umwelt zugute, etwa in Bezug auf Biodiversität. Als Herausforderungen für die Zukunft der Landwirtschaft nannte Tiefnig das Handelsabkommen Mercosur, den Green Deal, den Bodenverbrauch, die Digitalisierung, die Energiekosten und den Klimawandel, der sich durch Starkregen, Unwetterereignisse und Borkenkäferbefall in den letzten Jahren besonders stark gezeigt habe. Im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit sprach er sich für Recycling von Düngemittel aus. Auch Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP/S) hob die agrarpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung positiv hervor. Der Minister würde für gute Rahmenbedingungen sorgen, um Österreich mit Lebensmitteln höchster Qualität versorgen zu können, meinte er. Zuversichtlich stimme ihn auch das Interesse der Jugend an einer landwirtschaftlichen Ausbildung.
Auf die unterschiedlichen Herausforderung im Landwirtschaftsbereich ging Bundesrätin Simone Jagl (Grüne/N) angesichts der vielfältigen regionalen Gegebenheiten in Österreich ein. Eine Herausforderung, die alle Betriebe betreffe, seien die Auswirkungen des Klimawandels, meinte sie. Der Agrarsektor habe eine Doppelrolle in der Klimakrise, weil er einerseits zur Freisetzung der Treibhausgase beitrage, andererseits in seiner Produktivität von den Auswirkungen direkt betroffen ist. Das drängendste Thema bei den Bäuer:innen seien faire Produktpreise, weil das landwirtschaftliche Einkommen um ein reales Minus von 21 % sinke, sagte Jagl. Das Beste, was man persönlich für die heimische Landwirtschaft tun könne, sei regional einzukaufen, meinte die Bundesrätin.
SPÖ KRITISIERT MITTELVERTEILUNG, FPÖ IMPORTABHÄNGIGKEIT
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ/O) ging auf den Grünen Bericht ein. Er würde die politische Handschrift der ÖVP abbilden, meinte er. Bei der Landwirtschaftsförderung gelte seiner Meinung nach das gleiche wie bei der Unternehmensförderung: große Betriebe würden überdurchschnittlich profitieren, was der Bundesrat als ungerecht wertete. Er sprach demografische Probleme im ländlichen Raum an, die zur Landflucht führen würden. Da weniger Einwohner:innen auch weniger Konsument:innen bedeuteten, sei das auch ein Problem für die Landwirtschaft. Um der regionalen Ungleichheit gegenzusteuern habe die SPÖ einen Masterplan für den ländlichen Raum entwickelt, um die Unterschiede zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen auszugleichen, lieferte Reisinger einen Gegenvorschlag zu den Maßnahmen der Bundesregierung. Bundesrätin Elisabeth Grossmann (SPÖ/St) meinte analog dazu, dass zwar viel Geld für die Landwirtschaft ausgegeben würde, aber nur Wenige davon etwas hätten. Sie sprach von einer „Verteilungsungerechtigkeit“ und „regionalen Schieflage“ und stellte die Frage in den Raum, warum immer mehr Höfe, insbesondere in bergigen Regionen, zum Aufgeben „gezwungen“ seien. Sie sprach sich dafür aus, Agrarpolitik neuzudenken und Aspekte wie Tierschutz oder den Einsatz von Antibiotika und Gentechnik zu hinterfragen.
Nach 30 Jahren ÖVP-Agrarpolitik seien tausende Höfe und Arbeitsplätze in Österreich „zerstört“ worden, meinte Bundesrat Michael Bernard (FPÖ/N). Er hielt der Bundesregierung diesbezüglich „Bürokratiewahnsinn“, Überwachung und Einschränkungen bei der Produktion von Pflanzenschutzmitteln vor. Importierte Lebensmittel würden nicht dem österreichischen Standard entsprechen, ging er kritisch auf Handelsabkommen mit Nicht-EU-Ländern ein. Mercosur werde das Bauernsterben seiner Meinung nach weiter befördern und die Lebensmittelversorgung gefährden. Kritisch sieht er auch die Rekordteuerung und den Import von „Billiggetreide“ aus der Ukraine. Die Abhängigkeit von anderen Nationen sei nicht zielführend, meinte auch Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ/O). Die Selbstversorgung mit hochqualitativen Lebensmitteln müsse gewährleistet werden, die österreichische Landwirtschaft sei aber leider in einen „Überlebenskampf“ geschlittert, meinte der Bundesrat. Der Biosektor sei nicht leistbar und die Bundesregierung würde nichts dagegen tun, damit sich nachhaltige Bewirtschaftung in Österreich lohne. Immerhin müsste ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe in Nebenbeschäftigung geführt werden. Insbesondere angesichts der Inflation erwartet sich der Bundesrat, dass die Bundesregierung die Existenzsorgen der Landwirt:innen ernst nimmt und Handlungen setzt.
Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) ging auf den Begriff der Regionen ein, der in vorgehenden Debatte ihm zufolge irreführend verkürzt verwendet wurde. Eine Region sei nichts anderes als ein Teilgebiet einer größeren Fläche, etwa des Staatsgebiets. In der Diskussion sei von den Abgeordneten zum Bundesrat aber wohl nur die rurale Region in Abgrenzung zur urbanen gemeint gewesen. Im Agrarsektor erwartet Arlamovsky einen Negativtrend und ein Voranschreiten des „Hofsterbens“. Die Mehreinnahmen würden den stark gestiegenen Betriebskosten gegenüberstehen und es kleinen Betrieben schwerfallen, ein ordentliches Einkommen zu sichern. Für die junge Generation würde es immer weniger attraktiv sein, den elterlichen Hof zu übernehmen, meinte er. Der Bundesrat ortet demnach „massiven“ Handlungsbedarf bei der gerechteren Verteilung, auch in Bezug auf die Wertschöpfungskette.
GESCHÄFTSORDNUNGSDEBATTE ZUR NUTZUNG DES EMPFANGSSALONS
Vor Beginn der Aktuellen Stunde meldete sich Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ/T) zur Geschäftsordnung zu Wort. Er kritisierte, dass im Bundesratssaal nur begrenzt Platz sei, um die Öffentlichkeit teilhaben zu lassen. Außerdem forderte er dazu auf, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in die nächste Präsidialsitzung des Bundesrats einzuladen, um zu besprechen, dass der Empfangssalon im Parlamentsgebäude künftig auch von Besucher:innen und Bundesrät:innen vollumfänglich genutzt werden könne. Laut den Bundesrät:innen Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S), Korinna Schumann (SPÖ/W) und Marco Schreuder (Grüne/W) soll darüber in der Gremiumssitzung der Länderkammer beraten werden. (Fortsetzung Bundesrat) fan
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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