Fragestunde im Nationalrat: Ministerin Tanner verteidigt Teilnahme an Sky Shield und sieht Neutralität nicht gefährdet
Bessere technische Ausstattung des Bundesheers sowie Rekrutierung zusätzlichen Personals im Fokus des Landesverteidigungsressorts
Mit einer an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner gerichteten Fragestunde startete die heutige Nationalratssitzung, wobei unter anderem diverse Beschaffungsvorgänge, die neue Sicherheitsstrategie, die Rekrutierung zusätzlichen Personals oder die engere Kooperation zwischen den neutralen Ländern in Europa im Mittelpunkt standen. Die Ministerin befürwortete ausdrücklich die Teilnahme Österreichs an der European Sky Shield Initiative, da es notwendig sei, sich gegen Bedrohungen aus dem Luftraum schützen zu können. Es handle sich dabei um eine Beschaffungskooperation, da kein Land alleine diese Investitionen stemmen könne. Generell müsse auf Basis des aktuellen Risikobildes alles getan werden, um technisch und personell auf alle Herausforderungen und Bedrohungslagen vorbereitet zu sein.
TANNER: BESSERER SCHUTZ DES LUFTRAUMS DURCH SKY SHIELD UND ENGERE ZUSAMMENARBEIT MIT NEUTRALEN STAATEN
Zahlreiche Fragen drehten sich um die Teilnahme Österreichs an der European Sky Shield Initiative (ESSI), einem von Deutschland gestarteten Projekt zum Aufbau eines verbesserten europäischen Luftverteidigungssystems. Die täglichen Bilder aus der Ukraine würden deutlich illustrieren, dass bestehende Lücken in diesem Bereich geschlossen werden müssten, zeigte sich Tanner überzeugt. Gerade für ein neutrales Land wie Österreich sei es wichtig, bei dieser Beschaffungskooperation dabei zu sein. Die Ministerin versicherte dem Abgeordneten Robert Laimer (SPÖ), dass selbstverständlich im Vorfeld das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums mit diesem Vorhaben befasst worden sei. Es gebe auch keinen Völkerrechts- oder Verfassungsexperten, der neutralitätsrechtliche Probleme gesehen hätte. Zu den von Volker Reifenberger (FPÖ) geäußerten Bedenken stellte Tanner klar, dass die Entscheidungen weiterhin von Österreich getroffen würden und dass der Austausch von Radardaten im Rahmen des Systems Goldhaube auf schon bestehenden Abkommen mit einzelnen Nachbarstaaten beruhe. Letztere sollen auch noch weiter ausgebaut werden.
Zu dem von Österreich, der Schweiz, Irland und Malta unterzeichneten Papier zu den NATO Western European Partners, das von Abgeordneter Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) thematisiert wurde, führte Tanner aus, dass gerade die neutralen Länder eine wichtige Rolle im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einnehmen. Bis zu 1.200 österreichische Soldat:innen würden eine ausgezeichnete Arbeit in den einzelnen Missionen leisten. Manche Bedrohungen machten es aber notwendig, sich enger zu verschränken, argumentierte die Ressortchefin. Überdies erinnerte sie daran, dass es seit über drei Jahrzehnten eine Zusammenarbeit mit der NATO im Rahmen von Partnership for Peace gebe. In dem neuen Format habe sich eine Wertegemeinschaft aus neutralen Ländern zusammengeschlossen, die sich etwa mit Fragen zur Rechtsstaatlichkeit, zum Schutz von Zivilpersonen und Frauen in bewaffneten Konflikten oder zum Klimaschutz befassen. Die individuelle Zusammenarbeit der einzelnen Staaten mit der NATO bleibe davon unberührt. Tanner verwehrte sich daher auch mit Nachdruck gegen die Behauptung von FPÖ-Vertreterin Petra Steger, dass sie „immer ungenierter daran arbeite, die Neutralität tatsächlich abzuschaffen“.
Seit einem halben Jahr liege nun auch der Entwurf für jenen Teil der neuen Sicherheitsstrategie vor, für den das Verteidigungsressort zuständig sei, gab Tanner gegenüber Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) bekannt. Dazu gehörten auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, wie etwa die Förderung von energieautarken Kasernen (Frage von Abgeordneter Astrid Rössler, Grüne). Nun seien die anderen Ressorts am Zug, ihre Verantwortung bezüglich der Sicherheitsstrategie wahrzunehmen.
ÖSTERREICHISCHES BUNDESHEER SOLL ZU EINER MODERNEN ARMEE WERDEN
In Bezug auf den von Abgeordnetem Friedrich Ofenauer (ÖVP) angesprochenen Aufbauplan 2032+ führte die Ministerin näher aus, dass auf Basis des Landesverteidigungsfinanzierungsgesetzes nun eine bessere und langfristigere Planbarkeit möglich sei. Es seien bereits eine Reihe von Beschaffungsvorgängen im Laufen, die unter anderem den Ankauf von modernsten Hubschraubern (Leonardo, Black Hawk), Pandur-Panzern oder Dingo-Fahrzeugen mit Waffenstationen umfassten. Insgesamt sollen im Rahmen der „Mission Vorwärts“ in den nächsten vier Jahren 18 Mrd. € investiert werden, wobei vor allem Government-to-Government-Geschäfte priorisiert werden. Bei der Beschaffung von insgesamt 250 Pandur-Panzern handle es sich jedoch um eine Erweiterung des Rahmenvertrages, teilte die Ressortchefin dem Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) mit. Zu den von Rudolf Silvan (SPÖ) angesprochenen Transportflugzeugen der Marke Hercules räumte Tanner ein, dass diese im Jahr 2030 ein „technisches Ende haben“. Aus diesem Grund sei auch schon eine Entscheidung für den Ankauf von vier Stück des Nachfolgemodells C-390 von Embraer gefallen, die in Kooperation mit den Niederlanden angeschafft und voraussichtlich bis 2028 geliefert würden.
PERSONAL: ERHÖHUNG DES FRAUENANTEILS UND WEITERE VERBESSERUNG DER RAHMENBEDINGUNGEN
Die Mehrheit der Österreicher:innen habe sich im Jahr 2013 klar und deutlich für die Wehrpflicht ausgesprochen, was nach Ansicht Tanners unabdingbar notwendig gewesen sei. Es handle sich dabei um ein Modell, zu dem nun auch viele andere Länder wieder zurückkehren wollten. Bedauerlicherweise habe man den Grundwehrdiener:innen, die dem Land sechs Monate ihrer Lebenszeit „schenken“, lange nicht die entsprechende Wertschätzung entgegengebracht. Die Arbeitszeit im Ausmaß von 45 Stunden netto sei klar geregelt, teilte die Ministerin dem FPÖ-Mandatar Volker Reifenberger mit, eine Ausweitung sei nur unter genau definierten Bedingungen möglich. Auch das Ziel, die Grundwehrdiener:innen nicht mehr im bisherigen Ausmaß an sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätzen teilnehmen zu lassen, sei erreicht worden, führte Tanner in Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Helmut Brandstätter (NEOS) aus.
Grundsätzlich hielt Tanner die Frage des Personals für zentral, weshalb etwa intensiv versucht werde, den Anteil der Frauen deutlich zu steigern. Aus diesem Grund sei die Einführung des freiwilligen Grundwehrdienstes für Frauen im letzten Jahr von entscheidender Bedeutung gewesen, bekräftigte sie gegenüber Romana Deckenbacher (ÖVP) und Petra Wimmer (SPÖ). Bis dato hätten sich schon über 200 Personen gemeldet, 180 Soldat:innen seien bereits eingerückt. Weitere wichtige Schritte waren der Ausbau der Mentoring-Programme, die Einführung neuer Lehrgänge sowie vor allem die Erhöhung der Bezahlung nach über zehn Jahren. Mit dem Projekt „Heer on Tour“ wolle man noch mehr Menschen begeistern und das Bundesheer als attraktiven Dienstgeber präsentieren. Überdies würden vermehrt Anstrengungen unternommen, um die Behaltequote im Kaderbereich und bei den Zivilbediensteten zu steigern. Erste Erfolge würden sich dabei schon abzeichnen, hob die Ministerin erfreut hervor.
Herausforderungen würden sich auch im Bereich der Miliz stellen, wo „wieder mehr geübt werden müsse“, stimmte Tanner mit Axel Kassegger (FPÖ) überein. Allein im heurigen Jahr seien an die 200 Übungen vorgesehen. Eine der größten davon mit dem Namen „Schutzschild 24“ finde unter Einbindung von 4.000 Soldat:innen und mit internationaler Beteiligung vom 10. bis 21. Juni statt, informierte die Ministerin den Abgeordneten Andreas Minnich (ÖVP).
Der Abgeordneten Eva Blimlinger (Grüne) gegenüber, die auf das Naheverhältnis des Vorsitzenden des Militärausschusses der Europäischen Union, Robert Brieger, zur FPÖ hinwies, stellte Tanner fest, dass er bereits alles dazu gesagt hätte. In ihrem Ressort gebe es jedenfalls zu allem, was mit rechtsextremen Gedankengut zu tun habe, eine Null-Toleranz-Politik.
Schließlich ging die Ministerin noch auf die Frage des Abgeordneten Süleyman Zorba (Grüne) ein, der sich nach der Unterstützung des Außenministeriums bei seiner Mission, vollautonome tödliche Waffensysteme international zu ächten, erkundigte. Auch für sie stehe außer Frage, dass dieses Thema europarechtlich geregelt werden müsse. Es sollte jedenfalls sichergestellt werden, dass „am Ende des Tages“ die Entscheidungen über den Einsatz dieser Waffensysteme immer von Menschen getroffen würden, unterstrich Tanner. (Fortsetzung Nationalrat) sue
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