ORF-DialogForum: Europäische Medien unter Druck

Diskussion über die aktuelle Situation für Medien in Europa am 3. Juli in ORF III und auf ORF ON

Wien (OTS) – Beata Belogová, Chefredakteurin der slowakischen Tageszeitung „SME“, warnt: „Wenn sich der Hass in der Öffentlichkeit entlädt, ist er nicht mehr zu kontrollieren und wir alle sind in Gefahr.“ Tatsächlich ist die Situation in unserem Nachbarland Slowakei nach dem Attentat auf Premierminister Robert Fico besorgniserregend: Angriffe auf die Medienfreiheit häufen sich. Die Regierung hat die Auflösung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RTVS angekündigt. Ist die Unabhängigkeit der Medien in Teilen Europas tatsächlich bedroht? Darüber diskutierte Belogová im ORF-DialogForum mit Daniela Kraus (Presseclub Concordia) und Renate Schroeder (European Federation of Journalists). In einem weiteren Panel widmen sich Lucia Virostková (Universität Bratislava), Tessa Szyszkowitz („Falter“) und Fritz Hausjell (Reporter ohne Grenzen) dem Thema. ORF-Ungarn-Korrespondent Ernst Gelegs und ORF-Italien-Korrespondentin Cornelia Vospernik steuern internationale Perspektiven bei.

Die Diskussionsveranstaltung ist am Mittwoch, dem 3. Juli, um 23.35 Uhr in ORF III zu sehen und danach auf ORF ON abrufbar.

Lucia Virostková zeigt sich besorgt über die aktuelle Situation in der Slowakei: „Die Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben Angst. Sie wollten objektiv berichten und waren daher auch kritisch gegenüber dem geplanten Gesetz zur Neugründung des Senders – nun fürchten sie, dafür bestraft zu werden.“ Manche Medien hätten zu dieser Situation selbst beigetragen: „Zumindest drei TV-Hosts mussten gehen, weil die regierenden Parteien es abgelehnt hatten, an ihren Diskussionsrunden teilzunehmen. Indem die Medien dem nachgegeben haben, haben sie der Politik signalisiert, dass man sich tatsächlich kritischer Journalisten entledigen könne.“

Für Fritz Hausjell zeigen sich bestimmte Muster: „Wir haben in Europa einige Länder, die einen autoritären Kurs anstreben. Eines der ersten Elemente, neben dem Versuch, die Justiz in den Griff zu kriegen, ist dabei immer, die Medien zu steuern und ihnen das zu nehmen, was wichtig ist für eine Demokratie: Vielfalt und Kontrollmächtigkeit.“ In Österreich ortet er eine „Bildungswüste im Medienbereich“, weshalb er Gegenstrategien fordert: „Es braucht mehr Medienkompetenz und Medienbildung; ein Bewusstsein dafür, was es dem einzelnen Bürger bringt, wenn es möglichst viel journalistische Souveränität und Vielfalt gibt. Das vermitteln wir im Bildungssystem aber viel zu wenig, die Medien selbst sind da auch noch zu zurückhaltend.“

Zumindest etwas Hoffnung versprüht Tessa Szyszkowitz, die Untersuchungen in mehreren europäischen Ländern zum Thema Medienfreiheit durchgeführt hat: „Den Leuten ist nicht alles egal. Ein sehr hoher Prozentsatz ist dafür, dass die Europäische Union als Schutzmacht für die Medienfreiheit auftritt und sogar Sanktionen verhängt gegen Regierungen, die Journalisten in der Freiheit der Berichterstattung und ihrer editorialen Unabhängigkeit einschränken. Die Menschen wollen eine freie Medienlandschaft, autoritäre Regierungen schneiden sich damit ins eigene Fleisch“, zeigt sich die Journalistin überzeugt.

Für den per Videobotschaft zugeschalteten ORF-Korrespondenten Ernst Gelegs ist es um die Unabhängigkeit der Medien in Ungarn schlecht bestellt, was sich zuletzt etwa bei der Wahl zum Europäischen Parlament gezeigt habe. Umso mehr brauche es ein kritisches Korrektiv in Form eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Natürlich können immer Fehler passieren, aber das Bemühen muss glaubwürdig sein. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss zudem unabhängig finanziert werden, frei nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine wichtige Säule der Demokratie.“

Beata Belogová betont in Hinblick auf den Abbau des slowakischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass die Situation noch schlimmer geworden sei: „Es gibt eine Konfusion in der Gesellschaft darüber, was Hass und was kritischer Journalismus ist. Die Politik will neu definieren, was Journalismus sein soll.“ Gleichzeitig stellt Belogová fest, dass sich großer Hass besonders gegen Frauen im Journalismus richten würde. Die Slowakei werde zum Test für die Europäische Union, so Belogová, denn „Autokraten lernen schnell voneinander“. Aber: „Es gibt noch freie Medien, wir fühlen, dass es Hoffnung gibt.“

„Wir müssen alle gemeinsam an einer Verbesserung des Diskurses arbeiten und dabei nicht nur isoliert auf Journalismus und Politik schauen“, fordert Daniela Kraus vom Presseclub Concordia, denn „wir befinden uns in einer Abwärtsspirale des Diskurses“. Rechte Parteien würden mit dem von ihnen benannten „System“ den Rechtsstaat und freie Medien zerstören wollen. „Wir leben aber in einer sehr guten Demokratie. Und dafür braucht es professionell recherchierte Information und freie Medien.“

„Heute gibt es eine Verbindung von vulgären politischen Kampagnen und der toxischen Sprache der Big-Tech-Plattformen“, erklärt Renate Schroeder von der European Federation of Journalists. „Lügen werden heute schneller verbreitet, Hate Speech ist spannender als langweilige Fakten. Aber ohne Fakten gibt es keine gemeinsame Ebene.“ Der Polarisierung durch die Filter Bubbles könnten nur Journalistinnen und Journalisten entgegenwirken. Deren Rolle, die Gesellschaft zusammenzuhalten, werde immer größer. Es brauche jedoch eine finanzielle Nachhaltigkeit: „Ohne faire Bezahlung wird Journalismus zur Nischenfunktion.“

ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik gibt Einblicke aus Österreichs Nachbarland Italien: „Politische Einflussnahme hat es zwar immer gegeben, aber noch nie war es so offensichtlich und so ohne Genierer.“ Vospernik verortet strukturelle Veränderungen in der italienischen Medienlandschaft: „Es hat Abgänge namhafter Moderatorinnen gegeben. Sehr auffallend ist der regelmäßige Beschuss eines investigativen Magazins des dritten öffentlich-rechtlichen Kanals. Bedenklich für den politischen Diskurs im Land ist, dass in zahlreichen Diskussionssendungen soziale Probleme aufgebauscht werden.“

Moderiert wurde das ORF-DialogForum von Klaus Unterberger, ORF Public Value.

Das ORF-DialogForum ist eine Initiative des ORF, um das Gespräch mit seinem Publikum, den österreichischen Institutionen, den Organisationen und Gruppen der Gesellschaft zu beleben.

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