Bundesrat: Hitzige Debatte zu neuer Regierung und Regierungsprogramm
ÖVP, SPÖ und NEOS heben Verbesserungen hervor, Grüne zu Zusammenarbeit bereit und FPÖ sieht ein „Weiter wie bisher, nur schlechter“
Die Ziele und Anliegen der neuen Bundesregierung standen auch im Mittelpunkt der Debatte nach der Vorstellung des Regierungsprogramms durch die neue Regierungsspitze im heutigen Bundesrat. Die Bundesrät:innen der ÖVP-, SPÖ- und NEOS-Koalition hoben die darin enthaltenen Maßnahmen und deren Effekte hervor. Die Freiheitlichen wiederum kritisierten die „teuerste Regierung aller Zeiten“, befanden das Regierungsprogramm als ambitionslos und orteten ein „Weiter wie bisher, nur schlechter“. Die Grünen wiederum begrüßten das Zustandekommen der Koalition und zeigten ihre Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit, hoben aber auch ihre kritische Rolle als Oppositionspartei hervor.
ÖVP: KOMPROMISSE IN HERAUSFORDERNDEN ZEITEN
Jede Zeit habe ihre Herausforderungen, die vergangenen Jahre seien aber von besonderen geprägt gewesen, betonte Harald Himmer (ÖVP/W). Dies habe es schwieriger gemacht, Politik zu machen. Die Qualität einer Regierung zeichne sich auch darin aus, wie sie mit unterwartbaren Umständen umgeht. Dabei sei die Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wichtig. Nach Zeiten des Wahlkampfes sei nun die Zeit des Handelns. An der Spitze der Bundesregierung stehe mit Bundeskanzler Stocker nun ein Mensch, der aus dem Volk komme und für dieses agieren würde. Er habe die nötige Bodenhaftung, um die Herausforderungen für dieses Land und die Menschen zu lösen. Die Wähler:innen hätten der FPÖ Stärke gegeben, in der Politik sei es aber auch wichtig, Kompromisse einzugehen.
Die persönlichen Kompetenzen von Bundeskanzler Stocker und seine Fähigkeit über Parteigrenzen hinweg zu arbeiten betonte auch Matthias Zauner (ÖVP/NÖ). Zudem wandte er sich gegen die Kritik der Freiheitlichen und bezeichnete Obmann Kickl als „Will-Nicht-Kanzler“. Mit Mehrheit angenommen wurde ein von Zauner eingebrachter Antrag von ÖVP, SPÖ und NEOS. Darin wird das dem Antrag beigefügte Regierungsprogramm und dessen vorgesehenen Maßnahmen begrüßt.
Das Regierungsprogramm beinhalte ein klares Bekenntnis zum Standort Österreich, zu Skyshield und zu Europa, erklärte Christoph Thoma (ÖVP/V). In der Corona-Zeit sei „sicher nicht“ alles richtig gemacht worden, die FPÖ hätte es aber auch nicht besser getan. Zudem kritisierte der Mandatar die FPÖ-Forderung nach einem Ende der Wirtschaftskammer-Pflichtmitgliedschaft.
Der steirische ÖVP-Bundesrat Günther Ruprecht wünschte der Bundesregierung Glück für ihre Vorhaben. Sie habe bereits den Stopp des Familiennachzuges umgesetzt. Die Zuwanderung auf diesem Weg belaste das Bildungs- und Sozialsystem sowie den Arbeitsmarkt schwer. Hier beschreite die Bundesregierung einen neuen Weg.
SPÖ: BUDGETDEFIZIT BREIT TRAGEN UND ABBAUEN
Die Regierung sei mit den ehemaligen Bundesrät:innen Vizekanzler Babler, Bundesministerin Schumann und Staatssekretärin Eibinger-Miedl „verdammt stark“ vom Bundesrat geprägt, freute sich Stefan Schennach (SPÖ/W) über eine „Regierung des Bundesrats“. Diese sei mit einer „mehr oder weniger dramatischen“ Weltsituation konfrontiert und stehe dementsprechend mit Inflation, gestiegener Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Lage vor „riesigen“ Herausforderungen. Als positive erste Maßnahme der Bundesregierung hob Schennach den „Mietpreisdeckel“ hervor. Man werde nun mit „Hochdruck“ auch an einer Lösung für die freien Mieten kämpfen. Beim „unfassbaren“ Budgetdefizit habe man erreicht, dass dieses nicht nur auf den Schultern der Menschen abgetragen wird. Mit der Bankenabgabe habe man dazu eine erste Maßnahme gesetzt. Zudem bekenne sich die Bundesregierung zu einer „aktiven Neutralität“. Österreich sei der ideale Standort, um politische Krisen zu verhandeln. Hinsichtlich Migration plädierte Schennach dafür, nicht immer nur die Probleme und die Unsicherheit sondern die positiven Aspekte voran zu stellen.
Die oft prekäre Gesundheitsversorgung in den Regionen thematisierte Gabriele Kolar (SPÖ/St) und hob die im Regierungsprogramm vorgesehenen Verbesserungen, wie den Ausbau des nieder gelassenen Bereichs, die Erhöhung der Medizinstudienplätze oder die Schaffung einer Pflegestrategie hervor. Es gehe darum, ein Gesundheitssystem zu schaffen, das für alle da ist, unabhängig vom Einkommen, Wohnort und sozialen Status.
Die Bundesregierung schaffe insbesondere für Frauen und Kinder ein starkes soziales Netz, erklärte Sebastian Forstner (SPÖ/OÖ). Dies sei eine Investition in die Zukunft des Landes. Zentrale Vorhaben dabei seien ein Unterhaltsgarantiefonds und eine Kindergrundsicherung.
Die Koalition stelle sich der Verantwortung und werde das Land durch diese schwierigen Zeiten führen, meinte auch Sandro Beer (SPÖ/W).
Demokratie brauche Mut und Tatkraft und müsse geschützt, gestärkt und ständig neu gestaltet werden, sagte Claudia Arpa (SPÖ/K). Sie sei daher dankbar für die von der Bundesregierung angekündigten Initiativen. Auch zur Frauenpolitik enthalte das Regierungsprogramm wichtige Punkte. Noch immer seien Frauen am Arbeitsmarkt deutlich benachteiligt. Erfreulicherweise werde die EU-Transparenzrichtlinie umgesetzt, die für mehr Gerechtigkeit bei Gehältern sorgen werde. Viele Frauen seien immer noch von Gewalt betroffen. Arpa setzt ihre Hoffnungen in den dazu angekündigten Nationalen Aktionsplan.
FPÖ WARNT VOR MILLIARDENSCHWEREM BELASTUNGSPAKET DER „VERLIERER-AMPEL“
Die neue Regierung sei eine „Verlierer-Ampel“, kritisierte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ). Mit ihr würden nun ein „milliardenschweres Belastungspaket“ sowie Steuererhöhungen und Pensionskürzungen drohen. Die Regierung spare hier, aber nicht bei sich selbst, kritisierte Spanring die Größe der Regierung und sprach sich für eine „schlanke und schlagkräftige“ Zusammensetzung aus. Die angekündigten Maßnahmen seien ein „Weiter wie bisher, nur schlechter“. ÖVP und Grüne hätten in der vergangenen Regierung den Schuldenstand erhöht, die SPÖ hätte aber bei jeder „Graußlichkeit“ und Fehlentscheidung mitgemacht. Aufgrund der „EU-Hörigkeit“ der Bundesregierung werde in den nächsten Jahren nichts Gutes herauskommen und die österreichischen Interessen würden in Brüssel verkauft werden. Zudem kritisierte Spanring die „komplett verfehlte Asylpolitik“ und die Sanktionen gegen Russland sowie die Klimapolitik, die die Wirtschaft „nachhaltig zerstört“ haben. Außerdem ortete er ein an den „Rand des Kollaps“ getriebenes Gesundheitssystem. Das nunmehrige „Desaster“ bestehe aufgrund der „Einheitspartei“ von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen. Diese „Einheitspartei“ habe einen Bundeskanzler Kickl um jeden Preis verhindern wollen. Die FPÖ war in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP durchaus kompromissbereit, wollte aber keine „faulen Kompromisse“ eingehen.
Michael Bernard (FPÖ/NÖ) vermisste im Regierungsprogramm der „teuersten Regierung aller Zeiten“ unter anderem Strukturreformen, Entlastungsimpulse, die Beseitigung von Zwängen und Privilegien, den Stopp illegaler Zuwanderung, Grenzschutz und die Sanierung des Gesundheitssystems.
In der Debatte thematisierten die Freiheitlichen außerdem die Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer mit zwei Entschließungsanträgen, die beide in der Minderheit blieben. So setzte sich Michael Bernard (FPÖ/NÖ) für die Abschaffung der „Zwangsmitgliedschaft“ in der Wirtschaftskammer ein. Es sei außer Streit, dass Unternehmer:innen eine Interessensvertretung benötigen, argumentierte Bernard. Diese müsse sich aber an den Bedürfnissen und der ökonomischen Situation ihrer Mitglieder orientieren und vor allem auf Freiwilligkeit beruhen, forderte Bernard eine „Opting out-Möglichkeit“ von der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer. Für eine gänzliche Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen bzw. Fachverbänden der Wirtschaftskammern setzte sich zudem Günter Pröller (FPÖ/OÖ) ein.
Von einer Regierung der „Wahlverlierer“ sprach Sandra Jäckel (FPÖ/V) und kritisierte neben Einsparungen im Polizeibereich, dass es der EU nach künftig möglich sein solle, Insekten als Nahrungsmittel zu verarbeiten.
Die letzten Jahre seien eine wirtschaftspolitische Katastrophe gewesen und die neue Regierung wolle genauso weiter machen, sah Manfred Repolust (FPÖ/St) zu wenig Ambitionen im Regierungsprogramm.
Die Bundesregierung solle den Familiennachzug nach Österreich sofort und permanent unterbinden, forderte Isabella Theuermann (FPÖ/K)
mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb. Die entsprechenden Ankündigungen der neuen Bundesregierung bezeichnen die Freiheitlichen im Antrag als „Scheinmaßnahmen“ und „Placebo- und Show-Politik“. Die Bevölkerung erwarte sich ein konsequentes Vorgehen gegen den „politischen Islam“, betonte Theuermann. Die FPÖ habe aus diesem Grund eine Petition gestartet.
„Jetzt haben wir sie, die neue Regierung“, sagte Irene Partl (FPÖ/T). Sie habe keine Hoffnung, dass diese es besser machen werde als ihr Vorgängerin, wenn es um Gesundheit, Pflege und innere Sicherheit gehe. Partl forderte von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur immerwährenden Neutralität. Diese bedeute Unparteilichkeit und den Einsatz für Friedenslösungen. Österreich solle sich nicht an europäischen Militärbündnissen beteiligen, sondern seine eigene Verteidigungsfähigkeit stärken.
GRÜNE: BEREIT ZUR KONSTRUKTIVEN ABER KRITISCHEN ZUSAMMENARBEIT
Er freue sich, dass es nun eine Bundesregierung gibt, da sich in einer immer mehr polarisierten Gesellschaft Parteien für einen Kompromiss gefunden haben, betonte Marco Schreuder (Grüne/W). In einer Demokratie sei es legitim zu schauen, wo es für Kompromisse die meisten Schnittmengen gibt und dies sei bei der FPÖ nicht der Fall gewesen. Schreuder wandte sich gegen den von den Freiheitlichen verwendeten Begriff der „Einheitspartei“. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne hätten in der Vergangenheit vielfach ihre unterschiedliche Meinung gezeigt. Das, was sie aber im Unterschied zur FPÖ einen würde, sei, dass sie das Staats- vor das Parteiinteresse legten. Die Grünen seien nun wieder eine Oppositionspartei, seien aber zur Mitarbeit bereit.
Aktuell werde die transatlantische Zusammenarbeit in Frage gestellt. Der europäische Zusammenhalt sei jetzt wichtig, wie kaum seit dem Zweiten Weltkrieg, betonte Schreuder. Er wolle ein Europa, das für das Miteinander arbeitet. Russland wolle Europa mit seinem hybriden Angriffskrieg aber zerstören. Hinsichtlich des Budgets sei ein „Kapputtreden“ verantwortungslos. In der Vergangenheit habe man wie bei der Bankenkrise größere Budgetlöcher geschafft. Die Budgetpolitik dürfe nun aber nicht auf Kosten des Klimaschutzes erfolgen, kritisierte Schreuder. Positiv am Regierungsprogramm befand er die vorgesehene Umsetzung der Bundesstaatsanwaltschaft und der Kindergrundsicherung.
Man sei dem „Volkskanzler Kickl“ nur knapp entgangen und dies hätte in der jetzigen weltpolitischen Lage nichts Gutes bedeutet, freute sich Simone Jagl (Grüne/NÖ) über eine stabile und proeuropäische Regierung. Die Grünen seien zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit, würden die Dinge aber auch kritisch betrachten, betonte die Bundesrätin und vermisste im Regierungsprogramm unter anderem Verbesserungen für Menschen in sozialen Berufen oder Klimaschutzmaßnahmen.
NEOS: REGIERUNGSPROGRAMM MIT MEILENSTEINEN
Sie sei Feministin und Feminismus sei Humanismus, der im Interesse von allen sei, erklärte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W). Eine FPÖ-ÖVP-Regierung hätte Umbrüche gebracht, die das Leben nicht zum Guten beeinflusst hätten, zeigte sie sich überzeugt. Das nunmehrige Regierungsprogramm zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS könne sich nun aber sehen lassen. Es beinhalte „Meilensteine“ wie die Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft oder eine ORF-Reform. Zudem sei ein starkes Bekenntnis zu Kunst und Kultur verankert. Zudem hob Sumah-Vospernik die vorgesehenen Maßnahmen im Bildungsbereich, wie das verpflichtende zweite Kindergartenjahr, die mittlere Reife oder den Bürokratieabbau in Schulen hervor. Zudem betonte die Bundesrätin die Kompetenzen des NEOS-Regierungsteams. (Fortsetzung Bundesrat) sox/pst
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