Volksanwaltschaftsausschuss debattiert Mängel in der Verwaltung

Tätigkeitsbericht 2023 des Kontrollorgans zeigt Verbesserungsmöglichkeiten

Der jährliche Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft war im heutigen Volksanwaltschaftsausschuss Ausgangspunkt für eine Debatte über Mängel und potenzielle Verbesserungen in der Verwaltung. Die drei Volksanwält:innen Gaby Schwarz, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz standen den Abgeordneten für ihre Fragen zur Verfügung und berichteten anhand von Beispielen aus der Beschwerdepraxis.

23.124 BESCHWERDEN AN DIE VOLKSANWALTSCHAFT 2023

Mit ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 (III-1135 d.B.) trachtet die Volksanwaltschaft danach, nicht zuletzt die Gesetzgebung anhand von Fallbeispielen für den vorhandenen Verbesserungsbedarf zu sensibilisieren. Im Jahr 2023 gelangten 23.124 Beschwerden an die Volksanwaltschaft, 16.655 betrafen die öffentliche Verwaltung. Insgesamt 11.380 Prüfverfahren leitete das Kontrollorgan des Nationalrats im Vorjahr ein. 7.802 davon betrafen die Bundesverwaltung, der Rest die Landes- und Gemeindeverwaltung. In knapp einem Fünftel – 2.437 – der im Vorjahr abgeschlossenen 12.752 Prüfverfahren stellte das Kontrollorgan des Nationalrats einen Missstand fest. 90 Verfahren leitete die Volksanwaltschaft von sich aus aufgrund eines Missstandsverdachts in Bezug auf die Verwaltung ein. Der Bericht wurde im Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

Bei Beschwerden werde das Geschlecht der Anfragesteller:innen erfasst, berichtete Volksanwalt Achitz aufgrund einer Frage von Bedrana Ribo (Grüne). Es sei in der Regel aber nicht möglich, weitere Kriterien wie Behinderung oder Migrationshintergrund zu erheben. Regelmäßig würde aber eine Umfrage zur Bekanntheit der Volksanwaltschaft durchgeführt. Diese zeige, dass diese bei Jüngeren und Menschen mit Migrationshintergrund weniger bekannt sei. Menschen mit Migrationshintergrund würden durchaus den Weg zur Volksanwaltschaft finden, berichtete Volksanwalt Rosenkranz aus der Praxis.

Die Beschwerden kämen über unterschiedliche Wege an die Volksanwaltschaft – bis hin zu handschriftlichen Schreiben, meinte Achitz weiters. Die Volksanwaltschaft versuche die Menschen „niederschwelligst“ zu erreichen, betonte auch Volksanwalt Rosenkranz die Bedeutung der Sprechtage. Das hohe Niveau an Beschwerden würde zeigen, dass die Menschen zur Volksanwaltschaft finden würden.

FINANZEN: KLIMABONUS UND ENERGIEKOSTENAUSGLEICH

Seit Herbst 2022 haben sich laut Bericht mehr als 1.500 Personen an die Volksanwaltschaft mit Beschwerden über den Klimabonus gewandt. Zum einen sei dieser Ausgleich für Mehrkosten aufgrund der CO2-Bepreisung aus Sicht der Beschwerde einlegenden Personen zu spät ausbezahlt worden, zum anderen gab es Unverständnis für die regionale Staffelung des Zuschusses. „Der Teufel steckt im Detail“, meinte Volksanwalt Rosenkranz im Ausschuss gegenüber Christian Ragger (FPÖ). So sprach er sich für eine bessere Schulung der Hotline-Mitarbeiter:innen aus und bemängelte anhand von Beispielen die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Überweisungen insbesondere bei Problemfällen.

Die Beschwerden zum Energiekostenausgleich seien zwar zurück gegangen, sie seien aber weiter präsent, meinte Volksanwältin Gaby Schwarz zu der Frage von Ausschussvorsitzender Martina Diesner-Wais (ÖVP) zu den Beschwerden im Finanzbereich. Ebenso zugenommen hätten Beschwerden rund um die Handy-Signatur und ID-Austria. Diese kämen nicht nur von älteren sondern auch von onlineaffinen jungen Menschen, gab Schwarz zu bedenken.

STRAFVOLLZUG: PERSONALMANGEL UND SUIZIDZAHLEN

721 Beschwerden von Insass:innen des Straf- und Maßnahmenvollzugs ergingen laut Bericht 2023 an die Volksanwaltschaft. Abgesehen von Baumängeln weist der Bericht Personalengpässe im Straf- und Maßnahmenvollzug als Problem aus. Zudem betont das Kontrollorgan, dass es besonders bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung im Vollzug weiterhin dramatische Engpässe in der Personalausstattung gebe.

Einen „eklatanten“ Personalmangel im Strafvollzug ortete Volksanwältin Schwarz auch im Ausschuss gegenüber Rebecca Kirchbaumer (ÖVP). Krankenstände würden zunehmen und die anstehende Pensionierungswelle werde dieses Problem weiter verschärfen, kritisierte Schwarz. Zudem sei die Entlohnung im Vergleich zu niedrig. Von „schrillenden Alarmglocken“ sprach Schwarz hinsichtlich der zugenommenen Suizidzahlen im Strafvollzug. Sie kritisierte, dass 48 Empfehlungen von Expert:innen „so gut wie nicht“ umgesetzt worden seien. So sei etwa die psychiatrische Versorgung weiter unzureichend. Ebenso kritisierte Schwarz die unzureichende Verbesserung der Haftbedingungen für Jugendliche.

Die Situation im Maßnahmenvollzug thematisierte Johannes Margreiter (NEOS). Er wollte unter anderem wissen, was sich seit der Reform vor einem Jahr außer der Umbenennung in forensisch-therapeutische Zentren geändert habe und ob die Einrichtungen nun menschenrechtskonform seien. Volksanwältin Schwarz sah „nach wie vor eine große Baustelle“. Aus ihrer Sicht brauche es eine raschere Klassifizierung der Personen und mehr therapeutische Angebote. An den Umständen habe sich durch die Umbenennung nicht viel geändert, meinte sie.

JUSTIZ: WEITER LANGE VERFAHRENSDAUERN

Die langen Verfahrensdauern im Justizbereich würden oftmals mit Personalmangel argumentiert, meinte Volksanwältin Schwarz zu Johannes Margreiter (NEOS). Die Personalaufstockung in diesem Bereich hätten nicht genügend Auswirkung gezeigt.

Von Verbesserungen berichtete Schwarz Margreiter hingegen im Bereich des Außenministeriums und der Visavergabe bei der österreichischen Botschaft in Teheran.

ASYL UND FREMDENWESEN: DIE MEISTEN BESCHWERDEN VON SYRISCHEN FLÜCHTLINGEN

Stephanie Krisper (NEOS) thematisierte die bei der Volksanwaltschaft eingegangenen Beschwerden über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Verfahren. Krisper wollte wissen, auf welche Regionaldirektionen sich die Beschwerden bezogen und ob es besonders betroffene Herkunftsländer gab. Volksanwalt Walter Rosenkranz legte dar, dass sich die meisten Beschwerden auf die Regionaldirektionen Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg bezogen. Die meisten Betroffenen kamen aus Syrien.

Georg Bürstmayr (Grüne) fragte nach der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Er wollte wissen, ob die Volksanwaltschaft die geplante Erhöhung der Tagsätze für ausreichend halte. Es gebe hier noch keine Erfahrungswerte, sagte Volksanwalt Rosenkranz. Für ihn sei die lange Verfahrensdauer, bis die Jugendlichen von der Bundes- in die Länderbetreuung kommen „untragbar“. Es brauche außerdem Verbesserungen bei der rechtlichen Begleitung der Betroffenen.

VOLKSANWALTSCHAFT NIMMT STELLUNG ZU BESCHWERDESTELLE GEGEN POLIZEIGEWALT

Die im Innenministerium eingerichtete Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt („Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe“) thematisierten gleich mehrere Abgeordnete. Nachdem die Volksanwaltschaft nicht in die Entstehung der EBM einbezogen gewesen sei, fragten Reinhold Einwallner (SPÖ), Werner Herbert (FPÖ) und Georg Bürstmayr (Grüne) die Volksanwält:innen nun nach ihrer Beurteilung und nach der künftigen Zusammenarbeit mit dieser Stelle. Die Volksanwaltschaft hätte ihre Expertise gerne zur Verfügung gestellt, sagte Rosenkranz. Dies sei aber nicht gewünscht gewesen. Man sei aber froh, dass die Stelle überhaupt eingerichtet worden sei. Über die Zusammenarbeit mit der EBM könne er mangels Erfahrungswerten noch nicht berichten, so der Volksanwalt.

GESUNDHEIT: UNGENÜGENDE VERSORGUNG VON ME/CFS-ERKRANKTEN UND LANGE WARTEZEITEN AUF COMPUTERTOMOGRAFIE- UND MAGNETRESONANZUNTERSUCHUNGEN

Rudolf Silvan (SPÖ) thematisierte die „nicht optimale“ Versorgung von Patient:innen mit ME/CFS- und anderen postviralen Erkrankungen. Diese seien nur schwer abzugrenzen und das medizinische Personal dafür oftmals ungenügend geschult, berichtete Volksanwalt Achitz. Zudem seien viele Long-Covid-Ambulanzen mit spezialisiertem medizinischen Personal geschlossen worden und die noch vorhandenen Einrichtungen seien überlaufen. Bemühungen zur Verbesserung gebe es seitens einer Privatstiftung und zudem sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden.

Kritik äußerte Achitz gegenüber Silvan auch an langen Wartezeiten auf Computertomografie- und Magnetresonanzuntersuchungen. Einerseits würden Geräte im Spitalsbereich ungenügend genützt und andererseits würden viele Menschen wegen ungenügender Kapazitäten im niedergelassenen Bereich auf kostenpflichtige Wahlärzt:innnen ausweichen müssen.

PFLEGE UND SOZIALES: PERSONALMANGEL HERAUSFORDERUNG

Einen „Fleckerlteppich“ und Koordinierungsbedarf ortete Volksanwalt Achitz bei der Attraktivierung der Pflegeberufe gegenüber Christian Ragger (FPÖ) und Bedrana Ribo (Grüne). Der Bund habe Mittel ausgelobt und die Umsetzung erfolge in den Bundesländern sehr unterschiedlich. So seien die Gehaltsschemata unkoordiniert und teilweise würden sich Bundesländer gegenseitig die Fachkräfte abwerben. Ebenso sei eine sechste Urlaubswoche für ältere Pflegekräfte eingeführt worden, diese sei aber ungenügend bei diesen angekommen.

Verbesserungsbedarf sah Volksanwalt Achitz gegenüber Christian Drobits (SPÖ) bei der Notstandshilfe. Zwar sei die Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe abgeschafft worden, dies gelte aber nicht für die Witwen- bzw. Witwerpension, vermisste er den politischen Willen, dies zu ändern.

Besonderes Interesse hatten einige Abgeordnete an der Situation in Alten- und Pflegeheimen. Sabine Schatz (SPÖ) wollte etwa wissen, welche Reformmaßnahmen die Volksanwaltschaft vorschlägt. Für Volksanwalt Bernhard Achitz wären verbindliche gesetzliche Standards für angemessene Pflege und realistische Personalschlüssel notwendig. Diese müssten seiner Meinung nach in den Landesgesetzen möglichst einheitlich verankert werden. Um kurzfristig die Situation in der Pflege zu verbessern, sprach er sich dafür aus, administrative Tätigkeiten auszulagern, um die Pflegekräfte zu entlasten.

Eva Blimlinger (Grüne) interessierte sich wie Schatz für Missstände in der Unterbringung von jungen Menschen mit psychischen Krankheiten und Suchterkrankungen. In Tirol seien diese teilweise in Altenheimen fehluntergebracht worden, prangerten sie an. Das Land Tirol habe versichert, dass der Missstand behoben worden sei, gab Volksanwalt Achitz Auskunft. Man werde das bei künftigen Besuchen überprüfen, sagte er. 

HEIMOPFERRENTE: OPFER AUS „TAUBSTUMMENANSTALTEN“ VERSTÄRKT ANGESPROCHEN

Das Wirken der unabhängigen Rentenkommission zur Entschädigung von Heimopfern behandelt der Tätigkeitsbericht in einem eigenen Abschnitt. Die Kommission ist seit 2017 bei der Volksanwaltschaft eingerichtet und fungiert als Dachorganisation nach dem Heimopferrentengesetz. Im Jahr 2023 gingen 660 Anträge auf Entschädigung bei ihr ein. Seit ihrer Einrichtung wurden insgesamt rund 3.500 Anträge von Personen gestellt, die noch keine Entschädigung erhalten haben.

Die gestiegene Zahl der Anträge für Heimopferrenten sprach Sabine Schatz (SPÖ) an. Volksanwalt Achitz begründete den Anstieg damit, dass man Menschen, die in „Taubstummenanstalten“ untergebracht waren und dort Opfer von Gewalt wurden, bislang ungenügend erreicht wurden und man diese nun gezielt angesprochen habe. Neben der Heimopferrente gebe es auch Entschädigungen seitens der Träger. Für Gewaltopfer in Bundeseinrichtungen sei diese aber eingestellt worden, kritisierte Achitz weiter.

MENSCHEN MIT BEHINDERUNG: SCHWERPUNKT ZU SEXUELLER SELBSTBESTIMMUNG

Ein Prüfschwerpunkt der Volksanwaltschaft lag 2023 auf der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Besuche in Einrichtungen zeigten, dass 30 % der Einrichtungen über kein sexualpädagogisches Konzept verfügen. In weiteren 40 % war ein solches Konzept nicht in einer Leichter-Lesen-Version vorhanden. Sabine Schatz (SPÖ) und Bedrana Ribo (Grüne) wollten wissen, wie diese Situation in Zukunft verbessert werden könne. Die Volksanwaltschaft werde bei künftigen Überprüfungen darauf achten, dass die Einrichtungen sexualpädagogische Konzepte vorweisen und in Leichter Sprache anbieten können, so Achitz. Verbesserungen werde man erst in zirka einem Jahr feststellen können, wenn die Einrichtungen erneut besucht werden.

Als „Riesenproblem“ bezeichnete der Volksanwalt auch die begleitete Elternschaft von Menschen mit Behinderungen, nach der sich die Abgeordnete Ribo ebenfalls erkundigt hatte. Es gebe in Österreich viel zu wenige Einrichtungen, die eine begleitete Elternschaft unterstützen. Viel zu oft komme es zur Fremdunterbringung der Kinder von Menschen mit Behinderungen.

Ein Rechtsanspruch auf das elfte und zwölfte Schuljahr für Kinder mit Behinderung sei in „weiter Ferne“, meinte Volksanwalt Walter Rosenkranz zu Eva Blimlinger (Grüne). Zwar würden sich bei an die Öffentlichkeit getragenen Einzelfällen immer wieder Lösungen finden, es brauche aber eine gesetzliche Regelung, appellierte Rosenkranz an die Abgeordneten. Handlungsbedarf sah Rosenkranz gegenüber Christian Ragger (FPÖ) hinsichtlich überfüllter Schulbusse.

MENSCHENRECHTE: FÄLLE VON FOLTER UND INTERNATIONALE DIMENSION

Georg Bürstmayr (Grüne) erkundigte sich nach den von der Volksanwaltschaft verzeichneten Fällen mit Indizien auf Folter und Misshandlung. Als Folter werde etwa eingestuft, wenn festgehaltenen Personen kein Tageslicht oder keine Uhr zur Verfügung stehe, so Achitz. Es komme auch vor, dass Personen an ein Bett fixiert und dieses in einen Nassraum geschoben werde, damit man die Schreie nicht höre, berichtete der Volksanwalt.

Für die internationale Tätigkeit von Volksanwältin Schwarz interessierte sich Bettina Rausch-Amon (ÖVP). Schwarz berichtete unter anderem von Trainings mit anderen Ländern über Menschenrechtskontrolle und nachhaltige Entwicklungsziele. (Schluss Volksanwaltschaftsausschuss) pst/kar

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