TKG-Stellungnahme zum Integrationsbarometer und zur Einhaltung des § 283 StGB

Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) gibt diese Stellungnahme im Interesse der freiheitlichen, demokratischen und verfassungsgemäß säkularen Republik Österreich ab und warnt eindringlich vor politisch und religiös motivierten Integrationsinstrumenten wie dem „Integrationsbarometer“. Diese Instrumente gefährden nach Ansicht der TKG den gesellschaftlichen Frieden und widersprechen dem Geist des § 283 StGB, der das öffentliche Aufstacheln zu Hass oder die Herabwürdigung religiöser Gruppen unter Strafe stellt.

PAUSCHALISIERUNG DURCH VERMEINTLICHE MEINUNGSFORSCHUNG

Aus aktuellen Medienberichten war Folgendes zu lesen:

„Probleme mit Muslimen“ – Rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher seien der Meinung, dass das Zusammenleben mit Muslimen schlecht oder eher schlecht funktioniere; 2015 waren es noch 51 Prozent.“

Die TKG stellt klar: Solche Aussagen entstehen unter dem Deckmantel seriöser Meinungsforschung durch suggestive Fragestellungen, die mit Steuergeldern – auch jener muslimischen Bevölkerung – finanziert werden. Seit Jahren wird mit denselben Begriffen und demselben Tonfall gearbeitet, um Muslime in Österreich, der EU und weltweit zu problematisieren, kriminalisieren, herabwürdigen und zu delegitimieren.

Sollte es notwendig sein, ein Lage- oder Stimmungsbild zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu erstellen, so fordert die TKG, dass ein solches Instrument ausschließlich von unabhängigen, wissenschaftlich anerkannten Forschungsinstituten entwickelt wird. Ergänzend spricht sich die TKG für die jährliche Veröffentlichung eines unabhängigen Rassismus-Barometers aus, das strukturelle Diskriminierung in Österreich sichtbar macht.

„INTEGRATIONSBAROMETER“ VERSUS “RASSISMUS-BAROMETER”

Die TKG fordert, dass staatliche Erhebungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben ausschließlich von unabhängigen, wissenschaftlich anerkannten Instituten bzw. Meinungsforscher durchgeführt werden. Ergänzend spricht sich die TKG für die jährliche Veröffentlichung eines unabhängigen Rassismus-Barometers aus, das strukturelle Diskriminierung in Österreich sichtbar macht und wissenschaftlich belastbare Daten liefert.

GEFÄHRDUNG DES GESELLSCHAFTLICHEN FRIEDENS

Das sogenannte „Integrationsbarometer“, das von der ÖVP – der de facto politischen Nachfolgepartei der Christlich-Sozialen Partei Karl Luegers – getragen und unterstützt wird, ist kein neutrales, wissenschaftlich unabhängiges Meinungsforschungs- oder Analyseinstrument.

Vielmehr handelt es sich um ein politisch und ideologisch konstruiertes Auftragsinstrument, das seit Jahren zur kollektiven und pauschalen Stigmatisierung sowie zur gesellschaftlichen Herabwürdigung von Musliminnen und Muslimen beiträgt. Suggestive Fragestellungen und politisch motivierte Interpretationen erzeugen ein verzerrtes Bild, das mit Steuergeldern – auch jenen der muslimischen Bevölkerung – finanziert wird. Diese Praxis bewegt sich inhaltlich gefährlich nahe an einer staatlich begünstigten Herabwürdigung einer Religionsgemeinschaft und widerspricht dem Schutzauftrag des § 283 StGB.

Die fortwährende Erwartung, dass Muslime in Österreich – trotz vielfach belegter Integration – ihr „Gelungensein“ immer wieder neu unter Beweis stellen müssten, ist menschenunwürdig, diskriminierend und steht in klarem Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Grundsatz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

PAUSCHALISIERUNG DURCH MEINUNGSFORSCHUNG

Medienberichte zeigen, dass inzwischen rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher das Zusammenleben mit Muslimen negativ bewerten; 2015 waren es noch 51 Prozent. Für die TKG ist klar: Diese Entwicklung spiegelt nicht die Realität des Zusammenlebens wider, sondern ist das Ergebnis jahrelanger politischer Kommunikation, die Muslime systematisch problematisiert und kriminalisiert.

POLITISCHE INSTRUMENTALISIERUNG

Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den „politischen Islam” findet seit Jahren eine von den staatlichen Organen mitgetragene Herabwürdigung von Muslimen statt. Dabei werden ausgewählte Akteur:innen gefördert, die politische Narrative bedienen. Unabhängige, pluralistische Stimmen, also muslimische Akteur:innen, werden hingegen systematisch ausgeblendet. Die TKG warnt seit über 35 Jahren vor politisierten Glaubensrichtungen, also politischem Islam (arabisch: Siyasal Islam; türkisch: Siyasal İslami), und fordert, endlich konsequent zwischen tatsächlichen sicherheitsrelevanten Akteuren und der breiten muslimischen Bevölkerung zu unterscheiden, also die Spreu vom Weizen zu trennen – unabhängig von Religion. Die Mehrheit der Musliminnen und Muslime will nicht von Anhängern des politischen Islam vertreten werden, die als nette Feuerlöscher auftreten, aber eigentlich Brandstifter sind. Es reicht!

MUSLIME ALS TEIL ÖSTERREICHS

In Österreich leben rund 800.000 Musliminnen und Muslime, davon etwa 400.000 mit Wurzeln in der Türkei. Viele sind Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in vierter Generation und in allen gesellschaftlichen Bereichen vertreten: Ärztinnen, Wissenschaftler, Ingenieurinnen, Unternehmer, Künstlerinnen, Studierende, Arbeiter, Angestellte und Juristinnen. Sie wählen, arbeiten, zahlen Steuern und prägen seit den 1960er-Jahren das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben Österreichs. Diese Erfolgsgeschichte darf nicht durch politisch motivierte Umfragen verzerrt werden.

INTEGRATIONSBAROMETER ALS “KULTURELLER RASSISMUS”( NEORASSISMUS)

Das Integrationsbarometer ist nach Ansicht der TKG ein Beispiel für kulturellen Rassismus (Neorassismus), bei dem Kultur oder Religion als unveränderbare Eigenschaften dargestellt werden, um ganze Gruppen als „nicht integrierbar“ zu etikettieren. Die TKG betont: „Integration lässt sich nicht mit einem Barometer messen – schon gar nicht mit einem Instrument, das Vorurteile reproduziert.“

HISTORISCHE KONTINUITÄT PROBLEMATISCHER PRAXIS

Bereits eine Profil-Recherche vom 26.06.2014 belegte, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) unter ÖVP-Führung für politisch verwertbare Anti-Muslim-Narrative eingesetzt wurde. Die damalige „Moslem-Studie“ wurde ohne Ausschreibung finanziert, und darauf basierend wurden falsche Zahlen verbreitet. Die TKG sieht im heutigen Integrationsbarometer eine Fortsetzung dieser politischen Praxis.

Auch die UN-Sonderberichterstatterin Ashwini K. P. dokumentierte in Österreich tief verankerte rassistische Strukturen, verbreitetes Racial Profiling und mangelnde Problemerkennung durch staatliche Stellen. Wir warne in aller Freundschaft. Anstatt diese Befunde ernst zu nehmen, setzt das Integrationsministerium weiterhin auf Instrumente, die Vorurteile verstärken. Die ZEIT berichtete am 9. Dezember 2025 wie folgt: „UN-Sonderbeauftragte kritisiert verbreiteten Rassismus in Österreich” Nach einem einwöchigen Besuch in Österreich hat die UN-Sonderberichterstatterin den in dem Land verbreiteten Rassismus kritisiert. Die Regierung in Wien müsse dringend handeln.“

MIT ALLEM GEBOTENEN RESPEKT UND IN WÜRDE FORDERN WIR, NICHT DISKRIMINIERT, VERFOLGT ODER SATANISIERT ZU WERDEN!

Die TKG fordert die Bundesregierung auf, problematische Gruppen, Sekten oder Einzelpersonen präzise und namentlich zu benennen, sofern diese tatsächlich sicherheits- oder rechtsrelevant sind – anstatt eine gesamte Religionsgemeinschaft bzw. MuslimeInne als Menschen pauschal zu diffamieren. Eine solche Pauschalierung widerspricht § 283 StGB, der staatlichen Neutralitätspflicht, der Gleichbehandlung sowie den Garantien der EMRK (Art. 9 und Art. 14).

Was staatliche Stellen für sich selbst niemals akzeptieren würden, dürfen sie auch Angehörigen des Islam nicht zumuten. Die große Mehrheit der Musliminnen und Muslime in Österreich ist pluralistisch, heterogen und rechtsstaatlich loyal. Sie stehen hinter den Werten der säkularen, demokratischen Republik Österreich, schützen diese aktiv und leben hier seit Jahrzehnten erfolgreich, gleichberechtigt und in Würde.

FORDERUNGEN DER TKG

* Sofortige Beendigung politisch motivierter Instrumente, die Muslime kollektiv herabsetzen bzw. herabwürdigen.
* Vollständige Transparenz über die Verwendung von Steuergeldern im Integrationsbereich. (Welche Vereine, Personen und Projekte liegen der Partei oder dem Netzwerk politisch nahe, die MuslimInnen in Österreich pauschal herabwürdigen?)
* Einführung eines unabhängigen, wissenschaftlich fundierten Rassismus-Barometers.
* Konsequente Einhaltung der gesetzlichen Schutzbestimmungen, insbesondere des § 283 StGB.
* Eine Integrationspolitik, die auf säkularen, freiheitlich-demokratischen, vielfältigen und rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie Gleichbehandlung und Menschenwürde basiert.

Die TKG appelliert an Politik, Medien und Institutionen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten gerecht zu werden – in aller Freundschaft und mit dem gebotenen Respekt.

Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG-Think Tank)
Dr Melissa Günes
E-Mail: m.gunes@turkischegemeinde.at
Website: https://www.turkischegemeinde.at

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