Gleichbehandlungsausschuss bringt Vereinbarung für mehr Gewaltschutzmittel und Schutzunterkunftsplätze auf den Weg
Zahlreiche Oppositionsanliegen wurden vertagt
Einigkeit herrschte im Gleichbehandlungsausschuss zur Ausweitung der Schutzunterkünfte für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder (2070 d.B.). Konkret sollen im Rahmen einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern mindestens 90 zusätzliche Frauenplätze und ebenso viele Kinderplätze – insgesamt also 180 Plätze – geschaffen werden, erklärte Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP).
Alois Kainz (FPÖ) signalisierte die Zustimmung der Freiheitlichen und stellte dar, dass aus Sicht der FPÖ ein weiterer Schlafplatz für Familien mit mehreren Kindern notwendig sei. Das konsequente Engagement im Gewaltschutz werde durch diese Vereinbarung weiter vorangetrieben, unterstrich Meri Disoski die vollinhaltliche Unterstützung der Grünen. Auch Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sprach sich für das Paket aus und plädierte für einen nationalen Aktionsplan. Obwohl die NEOS „zumeist gegen Zweckzuschüsse“ sind, trat Henrike Brandstötter im Namen ihrer Fraktion für die 15a-Vereinbarung ein.
In einem Vertagungsreigen wurden von ÖVP und Grünen zahlreiche Anträge der Opposition – teils zum wiederholten Mal – vertagt. Darin ging es unter anderem um Änderungen im Gleichbehandlungsgesetz, Budget für die LGBTIQ-Community, ein Verbot von Konversionstherapien und die Kennzeichnungspflicht von Beauty-Filtern im Netz. Zudem wurden mehr Mittel für Kindergärten gefordert. Die Opposition thematisierte Schwangerschaftsabbrüche und Fortpflanzungsmedizin ebenso wie Zwangsheirat und Kinderehen. Gefordert wurden neben dem COVID-Aufarbeitungsprozess mit Frauen-Schwerpunkt auch Richtlinien bei Sexualdelikten und eine einheitliche Definition von Femizid.
MEHR MITTEL FÜR SCHUTZUNTERKÜNFTE
Mit einem Zweckzuschuss des Bundes sollen dafür ab November 2023 jährlich 3 Mio. €, bis Ende 2026 insgesamt zwölf Mio. € zur Verfügung gestellt werden, unterstrich Frauenministerin Susanne Raab. Vorgesehen ist damit einhergehend der Ausbau des Beratungs- und Betreuungsangebots in den Unterkünften. Zudem soll eine bundesweite Steuerungsgruppe unter der Leitung der Nationalen Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt eingerichtet werden.
Als Schutzunterkünfte gelten sowohl Frauenhäuser als auch Übergangswohnungen, so Pfurtscheller. Während erstere ein Sicherheitskonzept für Hochrisikofälle bieten, zielt die Regierungsvorlage primär auf letztere ab. Durch die Übergangswohnungen wird den gewaltbetroffenen Frauen und Kindern vorübergehend Wohnraum mit begleitender Beratung und Betreuung zur Verfügung gestellt, um sie auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu begleiten.
Die Vereinbarung soll mit 1. Juli 2023 in Kraft treten, um den Ländern frühzeitig entsprechende Umsetzungsmaßnahmen zu ermöglichen, führte Raab aus. Die Befristung bis Ende 2026 begründete sie gegenüber den Abgeordneten mit dem Bundesfinanzrahmen. Im Anschluss seien Gespräche über die weitere Finanzierung vorgesehen.
GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ, KONVERSIONSTHERAPIE UND BUDGET FÜR DIE LGBTIQ-COMMUNITY
Erneut aufs Tapet brachten die NEOS ihre Forderung nach einem Verbot von Konversionstherapien (943/A(E) ). Zudem forderte die SPÖ ein Verbot von Eingriffen bei intergeschlechtlichen Kindern. SPÖ-Mandatar Mario Lindner möchte ein entsprechendes Verbot von medizinisch nicht-notwendigen Operationen durchsetzen (3411/A(E)) und stützt sich auf eine einstimmige Entschließung des Nationalrats vom Juni 2021. Die Bundesregierung sei damals aufgefordert worden, „Maßnahmen zu setzen, um intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche und ihre körperliche Unversehrtheit wirksam vor medizinischen Eingriffen zu schützen“. Dies sei allerdings noch nicht umgesetzt worden, kritisierte er. Die NEOS standen dem positiv gegenüber. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sprach sich gegen alle Konversionstherapien aus und wollte beispielsweise nicht zwischen lesbischen Mädchen und Transjungen differenzieren. Yannick Shetty (NEOS) fühlte sich in der Diskussion von Grünen und SPÖ „bewusst missverstanden“. Laut ÖVP und Grünen liegt ein erarbeiteter Gesetzesentwurf vor, der auf Ebene der Koalitionspartner diskutiert wird.
Derzeit biete das Gleichbehandlungsgesetz keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und Weltanschauung, meinte SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner, der einen entsprechenden Novellierungsvorschlag vorgelegt hat (3470/A). Demnach sollten die Aufgaben der Gleichbehandlungskommission und der Gleichbehandlungsanwaltschaft adaptiert werden. Lindner warf der ÖVP Blockadehaltung vor. Von Seiten der ÖVP wurde die Vertagung mit der Erarbeitung einer Richtlinie auf Ebene der EU begründet.
Darüber hinaus setzte sich Lindner für ein eigenes Budget für die LGBTIQ-Community ein, um Projekte im Bereich Jugend- und Bildungsarbeit, im Gesundheitsbereich und in der Arbeitswelt und somit die gesellschaftliche Vielfalt zu fördern (3290/A(E)). Aus Sicht von Nico Marchetti (ÖVP) wird bereits genug Geld zur Verfügung gestellt. Er sprach sich dafür aus, Gelder projektbezogen einzusetzen. Verbesserungen seien in Kooperationen mit den Ländern umzusetzen, begründete er die Vertagung.
Erneut vertagt wurde das Anliegen der NEOS, auf europäischer Ebene klar Stellung gegen LGBTIQ-feindliche Tendenzen und steigende Übergriffe zu beziehen (597/A(E) ).
BEAUTY-FILTER IM NETZ
Die gesetzliche Verankerung einer Kennzeichnungspflicht von Beauty-Filtern im Netz – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene – ist ein Anliegen der SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits (3291/A(E)). Die auf sozialen Medien weit verbreiteten Beauty-Filter hätten nämlich dramatische Auswirkungen auf die Psyche und für das Entstehen eines falschen Selbstbilds von Mädchen und Frauen. Obwohl die Grünen das Problem ebenfalls anerkannten, sah Sybille Hamann (Grüne) die vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht zielführend an und wollte bei der Medienbildung ansetzen. Aus Sicht von ÖVP-Abgeordnetem Werner Saxinger hätten nationalstaatliche Regelungen in dem Bereich nur sehr beschränkten Einfluss. Die SPÖ hingegen kritisierte, die Vertagung werde der Dringlichkeit des Themas nicht gerecht.
MEHR MITTEL FÜR KINDERGÄRTEN ÜBER FINANZAUSGLEICH
Mit einem an mehrere Ausschüsse gerichteten Antrag forderten die SPÖ-Abgeordneten einen rascheren Ausbau der Kinderbetreuung und der Elementarpädagogik sowie die Bereitstellung der entsprechenden Finanzierung (3322/A(E)). Von der Bundesregierung erwarteten sie, im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen dafür zu sorgen, dass genügend Finanzmittel des Bundes zur Verfügung gestellt werden, damit Länder und Gemeinden in die Lage versetzt werden, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr umzusetzen. Christian Oxonitsch (SPÖ) unterstrich, es gebe diesbezüglich eine klare Positionierung des Präsidenten der Wirtschaftskammer Harald Mahrer.
Auch die Grünen machten sich für den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr stark. Die Kompetenz dafür liege bei den Ländern, hieß es. ÖVP und Grüne wollten daher nicht in bestehende Finanzausgleichsverhandlungen eingreifen, erklärte Maria Smodics-Neumann (ÖVP).
SCHWANGERSCHAFTSABBRÜCHE UND FORTPFLANZUNGSMEDIZIN
Um Abtreibungen flächendeckend zu ermöglichen, schlägt die SPÖ vor, eine auf das Gesundheitspersonal zielgerichtete Informationsoffensive zu starten (3356/A(E)). Meri Disoski (Grüne) unterstrich, dass bereits an Informationsoffensiven gearbeitet werde. Aus Sicht von Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) wird dafür bereits ausreichend getan.
Damit Frauen ermöglicht werde, Eizellen zum Zweck einer späteren Befruchtung auch ohne medizinische Indikation – auf eigene Kosten – zu entnehmen und aufzubewahren, forderten die NEOS eine Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes (3279/A(E)). Derzeit sei dies nur möglich, wenn medizinische Gründe gegen eine natürliche Befruchtung sprechen, erklärte Brandstötter. Die Grünen unterstützten die Intention, um Frauen in jedem Lebensabschnitt das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ein konkreter Gesetzesvorschlag wurde von den Grünen an den Koalitionspartner übermittelt, erklärte Disoski die Vertagung. Kritischer sah dies die ÖVP. „Social Egg Freezing“ müsse gut überlegt sein. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) wollte alle moralischen und ethischen Aspekte bedenken, zumal dafür eine Hormonbehandlung notwendig sei.
MASSNAHMEN GEGEN ZWANGSHEIRAT UND STATISTIK ÜBER KINDEREHEN
Die NEOS setzten sich überdies für ein Maßnahmenpaket zur Verhinderung von Zwangsheirat ein (3399/A(E)). Hintergrund ist eine kürzlich veröffentliche Studie, wonach es im Jahr 2021 in Österreich 54 Verdachtsfälle von Zwangsverheiratung bei Minderjährigen gegeben habe. Und neuerlich vertagt wurde die Forderung der FPÖ nach einer detaillierte Statistik über in Österreich bestehende Ehen von Minderjährigen (1461/A(E)).
Es gebe gute Argumente, um die Altersgrenze von Ehen zu überdenken, hielt Sybille Hamann (Grüne) fest. Dabei ging es ihr um die Ausnahmeregelung, wonach Ehen mit richterlicher Zustimmung bereits mit 16 Jahren geschlossen werden können. Zwangsheirat sei bereits ausreichend rechtlich abgesichert, war sie überzeugt, allerdings brauche es Hilfsangebote und Beratung. Auch Gudrun Kugler (ÖVP) lehnte Zwangsehen ab und sprach sich für die Anhebung des Ehealters auf 18 Jahre aus. Kulger sah jedoch die Länder als zuständig an.
NEOS FÜR EINHEITLICHE RICHTLINIEN BEI SEXUALDELIKTEN UND EINHEITLICHE DEFINITION VON FEMIZID
Neuerlich vertagt wurden zudem zwei Forderungen der NEOS. Im Sinne des Opferschutzes forderten sie darin verbindliche Richtlinien für die Vorgehensweise der Polizei im Einsatzfall wegen eines Sexualdeliktes (2702/A(E)) und eine klare Definition für den Begriff Femizid (2532/A(E)). Henrike Brandstötter (NEOS) sah Handlungsbedarf bei Innenministerium und Frauenministerium in Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzorganisationen. Um die Erfassung von Femiziden in der Kriminalstatistik in Österreich zu vereinheitlichen, forderte sie neben der Begriffsdefinition eine daran anknüpfende spezifische Datenerhebung in der Kriminalstatistik.
In einem weiteren neuerlich vertagten Entschließungsantrag (2690/A(E)) forderte die FPÖ, bei sämtlichen Sexualdelikten die Nationalität der Täter:innen gegenüber den Medien zu nennen. „Alle betroffenen Frauen haben ein Anrecht darauf, dass diese Taten nicht verharmlost oder geschönt werden“, betonte Petra Steger (FPÖ). Laut ÖVP sei es nicht möglich, vor der rechtlichen Verurteilung Nationalitäten zu nennen. Diese seien im Rahmen der Kriminalstatistik ersichtlich, erklärte Gudrun Kugler(ÖVP). Nationalität ist sekundär, hielt Meri Disoski (Grüne) entgegen.
COVID-AUFARBEITUNGSPROZESS MIT FRAUEN-SCHWERPUNKT
NEOS-Mandatarin Henrike Brandstötter forderte, die Auswirkungen und Folgen der Pandemie auf Frauen aufzuarbeiten und wissenschaftlich zu analysieren (3391/A(E)). Die Mehrfachbelastung der Frauen gelte es zu beleuchten, damit es nie wieder zu einer Krise komme, die Frauen zurück in tradierte Rollenbilder zwingt, hielt sie fest. Die Grünen unterstützten die Forderung. Die Aufarbeitung sei bereits im Gange. Werner Saxinger (ÖVP) erwartet einen Bericht bis Ende des Jahres. (Schluss Gleichbehandlungsausschuss) gla
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