„Praktisch wird die Arbeitszeit laufend reduziert“

Agenda Austria Chef Schellhorn warnt vor 32-Stunden-Woche und Teilzeitboom

Mit seiner Wahl zum SPÖ-Bundesparteivorsitzenden hat Andreas Babler die Debatte um eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich voll ins Rollen gebracht. Für den Wirtschaftsforscher Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria, ist hingegen schon jetzt das Wohlstandsmodell in Österreich „bedroht“. Eine Reduktion auf eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich würde den Druck zu einer enormen Produktivitätssteigerung nach sich ziehen, erläuterte er Mittwochnachmittag bei der Denkwerkstatt St. Lambrecht in der Steiermark, die unter dem Generalmotto „Anpacken – Voraussetzungen für Wohlstand und soziale Sicherheit“ steht.

Der Wirtschaftsexperte sieht eine Verkürzung der Arbeitszeit in Summe ohnehin bereits umgesetzt – speziell nach der Corona-Krise ab 2020. Der Zustrom zur Teilzeitbeschäftigung hat sich verstärkt, die Leute würden dadurch weniger arbeiten. „Praktisch wird die Arbeitszeit laufend reduziert“, analysierte Schellhorn.

SPÖ-Chef Babler und auch der Gewerkschaftsbund führen für die schrittweise Einführung einer 32-Stunden-Woche ins Treffen, dass es in Österreich die letzte Arbeitszeitverkürzung in den 1970er Jahren gegeben habe. Gesetzlich betrachtet stimme das, in der Realität der Arbeitswelt gebe es durch die stark gewachsene Zahl an Teilzeitbeschäftigten jedoch einen anderen Trend: „Es wird schon längst die Arbeitszeit reduziert.“ Seit rund 30 Jahren, nämlich seit 1995, gebe es keinen Zuwachs an Vollzeitstellen mehr: „Alles, was zusätzlich an Beschäftigten kommt, geht in Teilzeit.“

Für den Agenda Austria Chef ist das wenig überraschend, weil die Leute rechnen könnten und deswegen weniger in Vollzeit arbeiten. „Es zahlt sich in Österreich nicht aus, mehr zu arbeiten. Man hat de facto die Teilzeit steuerlich bessergestellt“, konstatierte er im Rahmen der Denkwerkstatt St. Lambrecht. In Österreich würden so viel Menschen in Teilzeit gehen, „weil sie es sich leisten können“- Von SPÖ und Gewerkschaft wird die hohe Teilzeitquote auch mit noch fehlenden Kinderbetreuungsplätzen begründet. Schellhorn hält dem die Entwicklung in Wien entgegen, wo es die meiste Kinderbetreuung gebe.

Der Wirtschaftsforscher führt gegen eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden außerdem an, dass die Steigerung der Produktivitätsrate pro Jahr hierzulande im einstelligen Bereich liege. Daran schloss die Warnung: „Das würde alle Alarmglocken schrillen lassen.“ Gleichzeitig würden 30 Prozent der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung für den Sozialstaat aufgewendet.

Österreich brauche statt einer 32-Stunden-Woche ein „neues Wirtschaftswunder“ durch die Umsetzung mehrerer Maßnahmen, forderte er.  Dazu zählte Schellhorn auch eine steuerliche Entlastung der „Mitte“ und höherer Einkommen, damit sich Vollzeitarbeit wieder mehr auszahle – auch im Vergleich zu Teilzeitarbeit. Weiters bekräftigte er die Forderung nach einer Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters. Mit Hinweis auf den akuten Arbeitskräftemangel meinte er, es gebe keine Jungen, die von Älteren verdrängt würden. Zugleich müsse Arbeiten in der Pension durch Entlastungen attraktiver gemacht werden.

 Es brauche außerdem qualifizierte Zuwanderung. Die Auszahlung etwa von Arbeitslosengeld solle nach dem Vorbild Dänemarks („fördern, aber auch fordern“) umgestellt werden. Österreich müsse die Staatsausgaben wie die Schweizer bremsen. Schließlich müsse auf Digitalisierung gesetzt werden, „was das Zeug hält“. Künstliche Intelligenz sei nicht Feind, sondern Hoffnung.

Gesellschaft für Zukunftssicherung und Altersvorsorge – Denkwerkstatt St. Lambrecht
Prof. Dr. Johannes M. Martinek
Präsident
Mobil: 0043 664 314 55 09
dialog@denkwerkstatt-stlambrecht.org

Wiedner Hauptstraße 57, 1040 Wien

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